Blutmond der Templer
Templer!
***
Die letzten Minuten waren derart mit Überraschungen gespickt gewesen, daß der neue Anblick den Inspektor nicht einmal schockte. Er nahm ihn einfach hin, wobei er sich allerdings fragte, ob die leblosen Gestalten bereits tot waren.
Sie lagen auf dem Rücken. Steif und starr, ohne jegliche Regung. Mit den Köpfen berührten sie den scharf geschnittenen Rand des Blutmondes. Die Hände hatten auf ihren Körpern Platz gefunden. Sie lagen übereinander und sahen knochig und bleich aus. Der rote Schein floß über ihre Gesichter, als wollte er den Toten so etwas wie Leben einhauchen.
»Na?« fragte Dragut, »siehst du sie?«
»Ja…«
»Das ist gut, dann wirst du auch wissen, wer nach dir an die Reihe kommt. Wir haben sie uns geholt, weil wir sie dem Blutmond opfern werden, so wie es in alter Zeit vorgeschrieben wurde.«
»Dann sind sie nicht tot?«
»Nein, noch nicht. Sie liegen nur in einem tiefen magischen Schlaf, aus dem ich sie erwachen lassen kann. Aber ich werde es nicht tun. Ich will dir zeigen, welche Aufgabe ich ihnen zugedacht habe.«
Suko hob die Schultern. Noch immer befand er sich in einem Zustand, wo ihm vieles egal war.
»Du hast das Glück, es erleben zu dürfen, denn du bist er erste, dem sie das Leben nehmen. Tritt in den Kreis und stell dich in dessen Mittelpunkt auf!«
Suko ging sehr langsam vor. Er suchte eine Lücke zwischen zwei den Bewegungslosen, fand sie auch und stolperte in den runden Blutmond der Templer hinein.
In der Mitte blieb er stehen.
Dragut hielt sich noch am Rand auf. Er rieb seine Hände und lachte leise. »Das ist genau die Haltung, die du einnehmen mußt, früher, als es Atlantis noch gab und der Blutmond leuchtete, haben auch schon Opfer in ihm gestanden. Nur wenige kennen das Geheimnis, du gehörst jetzt dazu, aber dir wird es nicht anders ergehen als den Templern, die es geschafft haben, die Grabstätte zu finden und ihr das Geheimnis zu entlocken.« Er lachte wieder. »So wie sie damals gestorben sind, wirst du ebenfalls sterben.«
Er setzte sein Vorhaben in die Tat um, bückte sich und spreizte die linke Hand.
Sehr dicht fuhr er damit über das Gesicht des ersten Templers hinweg. Suko, der im Blutmond stand, spürte, daß mit dem Leblosen etwas geschah. So etwas wie ein Energiestrom durchzuckte die Gestalt, die nicht mehr ruhig liegenblieb.
Sie öffnete die Augen, und auch die beiden aufeinanderliegenden Hände bewegten sich zitternd.
Das nahm Dragut schon nicht mehr war, denn er trat bereits an den nächsten heran.
Wieder die gleiche Bewegung, die gleiche Reaktion. Erst jetzt bekam Suko mit, daß er beim Spreizen der Finger Worte flüsterte, die der Chinese nicht verstand. Höchstwahrscheinlich entstammten sie einem Dialekt, der in einem Gebiet des alten Kontinents Atlantis gesprochen worden war.
Die Sprache der Alten, der Wissenden, der Magie und möglicherweise auch der Toten. Er sah den Test fünfmal, so daß er alle Templer auf gewisse Art und Weise zum Leben erweckte oder sie die Starre überwinden ließ. Dann hatte er es geschafft. Auch jetzt blieb er außerhalb des Kreises stehen, allerdings in einer lauernden Haltung, als würde er auf ein bestimmtes Ereignis warten.
Was auch eintraf, denn die Templer, die erst starr gelegen, sich dann bewegt hatten, glitten nun in die Höhe, als wären sie von unsichtbaren Bändern gezogen worden.
Dragut brauchte nichts mehr zu tun. Erstand nur da, hatte die Hände ausgestreckt und wartete darauf, daß die alte Kraft aus dem versunkenen Kontinent endlich ihre gewaltige Macht ausspielte, die sie über die Menschen bekommen hatte.
Die fünf Templer schwebten höherund höher. Wenn Suko nachrechnete und auch genau hinschaute, so hatten sie bereits die Höhe seiner Oberschenkel erreicht, wo sie nicht stoppten, sondern weiter nach oben glitten.
Bis zu einem bestimmten Punkt. Als würde ein Dirigent sie aus dem Unsichtbaren leiten, so standen sie plötzlich still. Verlängerte man die Linie von ihren Köpfen aus, so traf diese genau auf Sukos Hals!
Noch rührten sich die fünf Gestalten nicht. Die Ruhe vor dem Sturm, vor dem großen Finale hielt sie umfangen. Das Schreckliche lag in der Luft, es würde auch eintreten, aber noch ließen sich die Geistwesen des Urvolks Zeit.
Als die Gestalten sich wieder bewegten, geschah dies fließend. Kein Zucken und Rucken hatte es zuvor angezeigt. Sie glitten in den Kreis des Blutmondes hinein, und ihre Gestalten wurden vom Schimmer des roten Lichts
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