Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
die Tote?«, fragte Stürzenbecher.
»Keine Ahnung«, log ich.
Er nickte erneut. »Okay, und jetzt nochmal von vorn: Um welchen Fall geht es und was hat Wegener damit zu tun? Und keine Mätzchen, Wilsberg! Dafür fehlt mir die Zeit.«
Ich entschloss mich, die Wahrheit zu sagen, und erzählte von dem Überfall im Club Marquis.
Stürzenbecher pfiff durch die Zähne. »Scheiße. Dem alten Meyerink gehört die halbe Stadt, einschließlich der gewählten Stadträte. Das bringt nichts als Ärger.«
»Im Krankenhaus haben die Averbecks behauptet, Renate habe sich die Schnittverletzungen selbst zugefügt. Ich soll herausfinden, wer es getan hat, weil nicht auszuschließen ist ...«
»... dass der Typ nochmal eine Frau angreift«, ergänzte Stürzenbecher. »Schon klar.« Er deutete mit dem Kopf zum Schlafzimmer. »Ich habe ja schon viel gesehen, aber so was ...«
»Sie muss langsam und qualvoll gestorben sein«, sagte ich. »Und wer Seile an der Wand befestigt, um sein Opfer aufzuhängen, handelt nicht im Affekt.«
»Was weißt du sonst noch?«
»Nicht viel. Ich habe mit Renate und Jochen Averbeck gesprochen und mich im Club umgesehen. Volker Wegener war meine einzige Spur.«
»Zu der ich dir verholfen habe. Was war das für eine Liste, die du mir gegeben hast?«
»Die Gästeliste des besagten Partyabends.«
»Genial«, höhnte Stürzenbecher. »Weißt du, Wilsberg, wenn ich dein Auftraggeber wäre, wäre ich etwas enttäuscht von deiner Arbeit.«
»Stimmt«, gab ich zu. »Kann ich jetzt gehen?«
»Nein.« Seine Mundwinkel verzogen sich zur Andeutung eines Grinsens. »Du musst noch formal korrekt vernommen werden. Im Präsidium.«
»Doch nicht etwa von Kommissarin Brünstrup?«
»Warum nicht?«
Vier Stunden später hatte ich Kopfschmerzen und den Geschmack von Pappe im Mund. Brünstrup hatte mich nach allen Regeln der Verhörtechnik ausgewrungen, mir immer wieder dieselben Fragen gestellt und auf kleinste Abweichungen in meiner Geschichte geachtet, um anschließend auf ihnen herumzureiten. Aber ich hatte nicht mehr verraten, als ich Stürzenbecher schon erzählt hatte. Dass ich den Club Marquis und die Familie Averbeck ins Spiel gebracht hatte, würde mir ohnehin genug Ärger einbringen. Die Heuskens waren bestimmt nicht erbaut, wenn die Polizei bei ihnen auftauchte. Doch Verschwiegenheitspflicht hin oder her, jetzt ging es nicht mehr um Körperverletzung, sondern um Mord. Pia Petry dagegen erwähnte ich mit keinem Wort. Allerdings scheiterte mein großzügiges Versprechen, sie aus allem herauszuhalten, an der Akribie der Spurensicherer.
Nach einer Vernehmungspause, in der sie sich mit frischen Papieren versorgt hatte, ließ mich Brünstrup endlos lange Minuten warten, während sie den Text sorgfältig studierte.
Schließlich legte sie die Blätter auf den Tisch im Vernehmungsraum. »Wir haben jetzt die Leiche identifiziert. Die Frau heißt Tanja Brockhoff. Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Nein.«
»Sie hat in einem Laden für SM-Zubehör gearbeitet.«
»Aha.«
Brünstrup schaute mich an.
»Den Laden kenne ich nicht«, sagte ich. »Aber vielleicht hat sie ihren Mörder mal bedient. Als Verkäuferin, meine ich.«
»Ja.« Die Kommissarin faltete die Hände. »Brockhoffs Fingerabdrücke und Haare befinden sich überall in der Wohnung, auch im Bad und auf der Sitzgarnitur. Was vermuten lässt, dass sie sich öfter in der Wohnung aufgehalten hat.«
»Dann war sie vielleicht Wegeners Freundin.«
»Erstaunlich ist allerdings«, fuhr Brünstrup fort, »dass wir Prints einer unbekannten Person, wahrscheinlich einer Frau, am Türrahmen des Schlafzimmers gefunden haben. Es sieht so aus, als habe sie sich dort festgehalten. Und – jetzt kommt der Clou, Herr Wilsberg – von da aus hat man einen guten Blick auf das Bett und die Leiche.«
»Und?«, fragte ich.
»Sie waren nicht allein in der Wohnung. Es war jemand bei Ihnen.«
Ich lächelte. »Eine gewagte Vermutung. Es gibt tausend Gründe, warum man sich an einem Türrahmen festhält, angefangen bei einer leichten Kreislaufschwäche.«
»Hervorgerufen durch den Schock, den der Anblick der Leiche auslöst«, konterte die Kommissarin.
»Gut. Nehmen wir mal an, es war so: Wieso soll die Unbekannte zusammen mit mir in der Wohnung gewesen sein? Die Wohnungstür stand offen. Es kann also jemand vor mir die Wohnung betreten und wieder verlassen haben.«
Brünstrup musterte mich kritisch. »Dann hat diese Unbekannte sicher auch das Blatt aus Wegeners Kalender
Weitere Kostenlose Bücher