Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
Job? Warum wühle ich in anderer Leute Dreck, beschäftige mich mit Dingen, von denen normale Menschen höchstens in der Zeitung lesen? Wenn sie sie überhaupt lesen und nicht gleich weiterblättern. Meine trübseligen Gedanken werden vom Klingeln meines Handys unterbrochen.
Geistesabwesend melde ich mich. »Pia.«
»Ist was passiert?«, fragt Cornfeld alarmiert.
Ich muss mich ja fürchterlich anhören, wenn er das so schnell merkt.
»Wir haben eine Leiche gefunden«, sage ich leise.
»Eine Leiche?«
»Ja, eine junge Frau. Sie wurde zu Tode gefoltert. Grauenhaft ...«
»Pia! Wo sind Sie? Auf dem Kommissariat?«
»Nein. Im Hotel.«
»Im Hotel? Wieso im Hotel?«
»Wilsberg meinte, es sei besser, wenn ich verschwinden würde, bevor die Bullen kommen.«
»Wilsberg?«
»Ja«, sage ich, »ein Kollege.«
Wieder muss ich daran denken, wie Wilsberg mich in den Arm genommen hat, als ich in Wegeners Wohnung in Tränen ausgebrochen bin. Wie er mich festgehalten hat, ruhig dastand und nichts sagte, sich nicht bewegte und mich einfach heulen ließ. Und ich habe geheult. Bis keine Tränen mehr da waren.
»Wieso haben Sie die Leiche mit diesem Typ zusammen gefunden?«, fragt mein Assistent und das Misstrauen in seiner Stimme ist nicht zu überhören.
Ich erzähle ihm die ganze Geschichte. Angefangen bei der Liste, die ich Wilsberg geklaut habe, bis hin zu der Toten in Wegeners Wohnung. Und natürlich erzähle ich ihm auch von Wilsberg.
»Der Kerl war in der Wohnung«, sagt Cornfeld fassungslos. »Und schickt Sie nach Hause, bevor er angeblich die Bullen ruft.« Mein Assistent schnauft wie ein Walross, das gerade aus dem Wasser aufgetaucht ist. »Sind Sie sicher, dass der überhaupt die Polizei geholt hat, dass der gute Mann nicht vielleicht diese ganze Sauerei höchstpersönlich angerichtet hat? Und jetzt dabei ist, sowohl die Leiche als auch die Spuren zu beseitigen?«
»Das ist Quatsch«, sage ich müde. »Die Leiche hing da schon ein paar Stunden. Er kann es nicht gewesen sein. Und wenn er es war, hätte er mich auch gleich umbringen können.«
»Vielleicht kommt das ja noch«, erwidert Cornfeld böse. »So wie Sie die Tote beschrieben haben, lässt sich der Herr gerne Zeit. Vielleicht hat er noch etwas ganz Besonderes mit Ihnen vor?«
»Wahrscheinlich«, sage ich.
»Pia«, sagt er eindringlich. »Rufen Sie wenigstens jetzt die Polizei an.«
»Das ist doch viel zu spät. Wie soll ich das denn erklären? Nach über zwei Stunden.«
»Haben Sie Averbeck informiert?«
»Nein. Das geht nicht.«
»Das geht nicht?«
»Ich habe Jochens Siegelring im Badezimmer gefunden. Somit ist mein lieber Freund und Auftraggeber im Moment sehr viel verdächtiger als Wilsberg.«
»Ach du Scheiße«, sagt Cornfeld. »Wenn Averbeck da mit drinhängt, haben wir ein Problem.«
»Der hat nichts damit zu tun«, sage ich. »Es wäre doch wirklich zu dämlich, wenn er eine Privatdetektivin beauftragen würde, ein Verbrechen aufzuklären, das er selbst begangen hat.«
»Das wäre ja nicht das erste Mal. Wir hatten schon mal so einen Fall, in Frankfurt«, erwidert Cornfeld. »Da fällt mir ein, er hat den Vorschuss noch nicht überwiesen. Und unser Konto ist mal wieder in den Miesen. Also, es wäre nett, wenn Sie ihn daran erinnern könnten.«
»Tu ich.«
»Wo ist der Siegelring jetzt?«
»Raten Sie mal.«
»Pia ...«
Da fängt das Hoteltelefon an zu klingeln. Was mir sehr entgegenkommt. »Ich muss leider Schluss machen«, sage ich und beende das Gespräch.
Der Hausapparat bimmelt mit einer Penetranz, die verdächtig ist. Unschlüssig stehe ich auf. Soll ich das Gespräch annehmen? Vielleicht hat Wilsberg mich ja doch verpfiffen? Und die Polizei möchte mir jetzt ein paar Fragen stellen. Schließlich siegt meine Neugier und ich nehme ab.
Ich habe Glück. Es ist Renate. Und die scheint eine Metamorphose durchlaufen zu haben. Ihre Stimme klingt freundlich, fast herzlich, und sie entschuldigt sich gleich mehrmals für ihre harsche Reaktion im Krankenhaus. Es sei ihr sehr schlecht gegangen, erzählt sie, und sie habe nicht gewollt, dass eine so gute Freundin wie ich in diese scheußliche Geschichte verwickelt werden würde. Ich überlege, was diese Einhundertachtzig-Grad-Drehung wohl ausgelöst haben könnte. Doch ich komme nicht drauf.
»Und jetzt geht es dir besser?«, frage ich.
»Ja, viel. Ich bin heute aus dem Krankenhaus entlassen worden.«
»Das freut mich.«
»Du«, sagt sie, »ich habe einen Anschlag auf dich
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