Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
lernen.«
»Vergiss es! Mir ist nicht nach einem Dreier.«
»Hast du nicht gesagt, dass heute diese Dungeon-and-Dragon-Party stattfindet. Da kommt sie bestimmt.«
»Vielleicht. Aber du nicht.«
»Georg!« Sie setzte ihren Klein-Mädchen-Blick auf.
»Das zieht bei mir nicht, Franka. Du kommst nicht mit. Aus. Finito.«
Sie grinste in sich hinein. »Ich habe dir doch von meiner Freundin erzählt, die eine SM-Beziehung hatte.«
Ich gabelte eine Tomate auf. »Und?«
»Na ja, ich habe alles hautnah mitbekommen. Es war nämlich ihre erste und einzige SM-Geschichte. Und sie hat auch nicht lange gedauert.«
»Wie kommst du jetzt darauf?«
»Am Anfang fand sie es richtig spannend«, ignorierte Franka meine Frage. »Bondage ist eigentlich eine interessante Erfahrung. Du fühlst dich vollkommen wehrlos und ausgeliefert. Allerdings muss der Partner mitspielen. Er muss seine Macht ausüben wollen. Und Nick, so hieß der Typ, konnte das. Das dauerte manchmal stundenlang. Er hat ihr nie richtig wehgetan. Er hat sie beschimpft und geschlagen, geküsst und gestreichelt.«
»Abwechselnd?«
»Ja. Das ist das Irre daran. Du darfst nie wissen, was als Nächstes passiert. Irgendwann zirkuliert nur noch Adrenalin in deinen Adern. Du kriegst schon eine Gänsehaut, wenn er nur in deine Nähe kommt.«
»Wahnsinn«, sagte ich.
»Hast du noch nie solche Fantasien gehabt?«
»Erst seitdem ich mit diesem Fall beschäftigt bin.«
»Nick hat noch andere Sachen mit ihr gemacht«, redete sie weiter. »Einmal hat er ihr eine Augenbinde angelegt und sie durch die Stadt geführt. Sie hat plötzlich Geräusche gehört und Gerüche wahrgenommen, die sie bis dahin noch nie bemerkt hatte.«
»Das Spiel kenne ich«, sagte ich. »Als Kinder nannten wir das Blindekuh.«
»Aber unter verschärften Bedingungen.« Franka kicherte. »Sie hatte bloß einen Trenchcoat an und darunter nichts.«
»Und das hat ihr gefallen?«
»Anfangs schon. Solange du deinem Partner vertraust und er sich an die Bedingungen hält.«
»SSC«, warf ich ein. »Ich habe ein bisschen im Internet recherchiert: safe, sane und consensual. Sicher, mit gesundem Menschenverstand und einvernehmlich. Das ist die hehre Theorie. Doch verrat mir mal, wie jemand ein Safeword sagen soll, wenn er einen Knebel im Mund hat?«
»Dann vereinbart man ein anderes Zeichen«, beharrte Franka.
»Und manchmal geht das schief«, widersprach ich.
»Das ist die absolute Ausnahme. Das hat nichts mit SM zu tun.«
»Darf ich abräumen?«, fragte die Kellnerin und griff nach dem Brett mit meinem kalt gewordenen Flammkuchen.
»Nein«, wehrte ich ab. »Das esse ich noch.«
Als sie gegangen war, sagte ich zu Franka: »Wenn die Erfahrung mit diesem Nick so toll war, warum ist die Beziehung dann so schnell zu Ende gegangen?«
»Bei Nick drehte sich alles um SM. Sein ganzes Leben wurde davon bestimmt. Die Zeit dazwischen, sein Studium, Kinobesuche, normale Gespräche mit normalen Menschen – das waren für ihn nur lästige Unterbrechungen. Vanilla-Kultur nannte er das abfällig. Meine Freundin empfand das zunehmend als Manie, die sie einschnürte. Und dann war da noch was.« Franka betastete ihr Wasserglas. »Nick wollte härtere Sachen ausprobieren. Da hat sie Schluss gemacht.«
Ich schaute sie skeptisch an. »Und du bist sicher, dass wir von deiner Freundin reden?«
»Von wem sonst?«
Franka grinste, aber auf ihren Wangen bildeten sich verräterische rote Flecken.
Ein Paar, in angeregte Unterhaltung vertieft, schlenderte vom Landesmuseum auf unser Café zu. Pia Petry und Dracu. Ich erstarrte.
Franka schaute in die gleiche Richtung. »Ist sie das?«
»Ja.«
»Und der gut aussehende Dunkelhaarige ist Dracu?«
»Leider.«
Pia und Dracu hatten mich inzwischen auch bemerkt. Pia schaute verlegen zur Seite, Dracu haute mir ein kleines, arrogantes Siegerlächeln ins Gesicht.
»Nimm's nicht so tragisch!«, sagte Franka mitfühlend, als die beiden wieder verschwunden waren. »Wenn die Frau deine Qualitäten nicht erkennt, ist sie selbst schuld.«
»Das Thema ist durch«, antwortete ich gepresst.
»Heißt das, du willst Stürzenbecher ihren Namen geben?«
»Nein, das nun auch nicht.«
Franka goss Wasser nach. »Du denkst, es könnte sich doch noch was ergeben?«
»Ich stehe nur zu meinem Wort, das ist alles. Aber ich mache mir keine Gedanken mehr darüber, ob sie Dracu oder Jochen Averbeck in die Hände fällt.«
Wütend warf ich die Serviette auf den Flammkuchen. Der Appetit war mir
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