Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
hältst, komme ich nicht mit. Definitiv.«
Er hebt beschwichtigend beide Hände. »Okay, okay, okay. Ich mache nichts, ich zeige dir nur alles. Wenn es das ist, was du wirklich willst.«
Ich nicke. »Genau das will ich. Mir geht es einzig und allein darum, zu kapieren, wie Sadisten funktionieren. Wie sie denken, was ihre Motivation ist.«
Dracu zuckt die Schultern. »Das ist doch ganz einfach, es macht ihnen Spaß, anderen wehzutun.«
»Das ist alles? Gibt es keinen psychologischen Überbau? Keine tief schürfenden Hintergründe?«
Spöttisch verzieht er den Mund. »Ich, zum Beispiel, würde sehr gerne mal diese Nippelzwinge bei dir ausprobieren, die ich dir geschenkt habe.«
»Dracu, wenn du nicht aufhörst ...«, sage ich, als die Bardame ein Glas Sekt vor mir abstellt. Ich greife danach und genau in dem Moment sehe ich Wilsberg. Sehe mit wachsendem Erstaunen, wie die Clubbesitzerin, Clara Heusken, ihn quer durch den Raum hinter sich herzieht und die beiden durch eine Tür, auf der Privat steht, verschwinden. Was nicht weiter ärgerlich wäre, würde Wilsberg nicht den Eindruck machen, als gefiele es ihm, abgeschleppt zu werden. Da war etwas Erwartungsvolles in seinem Gesicht. Etwas interessiert Neugieriges. Eine freudige Erregung, die mich sauer macht. So schnell hat er mich vergessen. So schnell lässt er sich auf eine andere Frau ein. Na warte, denke ich, das kriegst du zurück.
Dracu rutscht vom Barhocker. »Wir gehen.«
»Ich muss mein Glas noch austrinken«, erwidere ich.
Er nimmt es mir aus der Hand und leert es auf einen Zug. »Wir gehen«, wiederholt er jetzt mit einer Schärfe und Autorität, die ich beeindruckend finde.
Er ist wirklich ein grandioser Schauspieler. Und ich spiele mit. Klettere vom Hocker und laufe brav hinter ihm her zu einem der Spielzimmer. Als die Tür hinter uns ins Schloss fällt, erreicht mein Adrenalinausstoß seinen eruptiven Höhepunkt.
»Die Tür ...«, sage ich.
»Können wir natürlich auflassen, wenn du Angst hast.«
»Nein, nein. Ist schon okay.« Ganz so hasenfüßig will ich nun auch wieder nicht erscheinen.
»Welches Safeword benutzt du eigentlich meistens«, frage ich und schlendere an einem Regal entlang, auf dem Handschellen in unterschiedlichen Größen und Ausführungen aufgereiht liegen. Daneben steht ein grauer Jutesack am Boden.
»Apfelbäckchen«, sagt Dracu. »Wir können aber auch Gnade nehmen oder Bruttosozialprodukt. «
»Wir nehmen gar nichts«, antworte ich und bleibe vor einem schwarz lackierten, mannshohen Andreaskreuz stehen.
»Die Verkäuferin aus deinem Laden«, sage ich und versuche dabei, möglichst beiläufig zu klingen, »war die SMlerin?«
»Ja.«
»Hatte sie einen festen Freund oder einen festen SM-Partner?«
»Keine Ahnung«, sagt Dracu. »Sie hat noch nicht lange für mich gearbeitet.«
»Hast du sie gemocht?«
»Willst du wissen, ob ich etwas mit ihr hatte?«, fragt er.
»Genau das.«
»Es gab eine Session. Bei mir zu Hause. Aber das hat mir nicht so besonders gefallen.«
»Warum?«, frage ich und inspiziere eine der ledernen Handfesseln, die an langen Ketten an den Balken des Andreaskreuzes hängen.
Dracu steht ganz dicht hinter mir. »Sie war mir zu zimperlich. Hat nichts ausgehalten.«
»Und Renate?« Probehalber lege ich die Fessel über mein Handgelenk.
»Mach mal zu«, drängt Dracu. »Dann merkst du, wie weich das Leder ist.«
»Hast du was mit ihr?«, frage ich, während ich die Fessel schließe.
»Mit Renate hat außer Jochen niemand was. Die haben einen Vertrag.«
»Einen Vertrag?«
»Ja, einen Sklavenvertrag. Danach darf Renate keine anderen SM-Partner haben als ihren Mann. Allerdings darf auch Jochen keine anderen Partnerinnen haben. Was relativ ungewöhnlich ist.«
Dracu zieht die zweite Handfessel vom linken Balken zu sich und legt sie mir um.
»Woher weißt du das?«
»Von Renate. Sie ist die mit Abstand attraktivste Masochistin im Club. Natürlich habe ich versucht, bei ihr zu landen.«
»Und da hat sie dir von diesem Vertrag erzählt?«
Dracu nickt und schließt die zweite Fessel. »Danach habe ich sie natürlich in Ruhe gelassen. So ein Vertrag ist absolut verbindlich. Zumindest in unseren Kreisen.«
Während ich noch über diese seltsame Geschichte nachdenke, fällt mir auf, dass ich jetzt an beiden Händen eine Fessel trage. Da die Ledermanschetten an relativ langen Ketten befestigt sind, fühle ich mich in meiner Bewegungsfreiheit nicht wirklich eingeschränkt. Doch das ändert sich.
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