Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
beseitigen.«
Stürzenbecher drehte sich langsam zu Cornfeld um. Ich kannte den Hauptkommissar lange genug, um zu wissen, dass er es nicht schätzte, wenn ihm jemand in seine Arbeit hineinredete. Vor allem wenn dieser Jemand mit Informationen um sich warf, auf die er sich keinen Reim machen konnte.
»Verraten Sie mir, wer diese Pia Petry ist und was sie mit Averbeck zu tun hat?«
»Averbeck hat sie engagiert. Um denjenigen zu finden, der seine Frau beinahe umgebracht hat.« Cornfeld zückte eine Visitenkarte. »Agentur P-Quadrat. Ermittlungen aller Art. Frau Petry ist meine Chefin.«
Stürzenbecher betrachtete die Visitenkarte. »Wie lange hält sie sich schon in Münster auf?«
»Seit einer Woche. Sie hat zuerst im Hotel gewohnt und dann hier in der Villa.« Cornfeld zeigte nach oben. »In einem der Gästezimmer befinden sich ihre Sachen.«
Ich schaute zu dem Notarzt, der die inzwischen auf dem Boden liegende Leiche von Jochen Averbeck untersuchte. Außer dem Arzt und uns drei hielten sich noch einige Beamte der Spurensicherung im Wohnzimmer auf, die Fotos machten und die Schränke durchwühlten.
»Aha«, sagte Stürzenbecher. »Dann war es sicher Ihre Chefin, die zusammen mit Wilsberg die Leiche der jungen Frau entdeckt hat?«
»Wozu ist das wichtig?«, regte sich Cornfeld auf. »Sie müssen etwas unternehmen.«
»Ja«, sagte ich mit einem unfreundlichen Blick zu Cornfeld, »sie war mit mir in Wegeners Wohnung und auch bei Marie Niehues. Pia Petry ist die Frau, nach der ihr die ganze Zeit gefragt habt.«
»Könnten wir jetzt endlich mal zu den wesentlichen Dingen kommen?«, verlangte Cornfeld.
»Erzählen Sie mir nicht, was ich zu tun habe, junger Mann!«, gab Stürzenbecher barsch zurück. »Noch ist nicht klar, ob es sich um ein Verbrechen handelt. Vielleicht sitzt Ihre Chefin ja irgendwo in Münster in einer Eisdiele und macht sich einen schönen Nachmittag.«
Der Notarzt, der seine Untersuchung abgeschlossen und die Leiche mit einer weißen Plane bedeckt hatte, brachte sich durch ein Räuspern in Erinnerung.
»Ja?«, schnappte Stürzenbecher. »Was gibt es?«
»An den Handgelenken des Toten finden sich Verletzungen, die von einer Fesselung herrühren könnten.«
»Er wurde gefesselt?«
»Offenbar. Allerdings kann ich nicht sagen, wie lange vor seinem Tod. Und das ist noch nicht alles. Drei seiner Finger sind gebrochen, zwei an der rechten Hand und einer an der linken.«
»Eine Folge des Todeskampfes? Weil er es sich im letzten Moment anders überlegt hat?«
»Nein, das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Auf jeden Fall empfehle ich eine Sektion in der Rechtsmedizin.«
»Ja, ja«, knurrte Stürzenbecher. »Das hatten wir ohnehin vor.«
»Brauchen Sie noch mehr Beweise?«, höhnte Cornfeld.
Stürzenbecher wandte sich mit erhobener Stimme an die Leute von der Spurensicherung: »Was ist mit dem Klebetest?«
»Noch nicht«, gab einer zurück.
»Und worauf wartet ihr?«
»Was meint er mit Klebetest?«, fragte mich Cornfeld leise.
Ich erklärte es ihm: »Wenn sich jemand selbst am Kronleuchter aufknüpft, fasst er das Seil logischerweise an. Das hinterlässt Faserspuren an den Händen, besonders bei so einem altmodischen Hanfseil wie dem, an dem Averbeck hing. Gibt es keine Spuren, war er schon tot oder bewusstlos, bevor er aufgehängt wurde.«
Wir schauten zu, wie ein Spurensicherer Klebestreifen auf Averbecks Handinnenflächen pappte und langsam wieder abzog.
Nach eingehender Betrachtung meldete er: »Keine Spuren.«
»Na schön«, sagte Stürzenbecher. »Er ist also ermordet worden. Dann habe ich eine blöde Frage: Hat Frau Petry kein Handy?«
Ich hatte es, während ich mich in Averbecks Arbeitszimmer umgesehen hatte, schon zweimal versucht und beide Male war ihre Mailbox angesprungen, auf die ich mit Engelszungen dringende Bitten um einen Rückruf gequatscht hatte. Aber ein dritter Versuch konnte ja nicht schaden. Ich zog mein Mobiltelefon aus der Tasche und aktivierte ihre Nummer. Das Freizeichen ertönte. Irgendwo in der Nähe klingelte leise ein Handy. Ich beendete die Verbindung. Das Klingeln hörte auf.
Wir schauten uns an.
»Es ist hier«, sagte Cornfeld.
Ich drückte auf die Wiederholungstaste. Das Klingeln setzte erneut ein.
»Das kommt aus der Eingangshalle.« Cornfeld stürmte los.
Wenig später hatten wir das Handy gefunden. Es steckte in einer Handtasche, zusammen mit Pias Ausweisen und Schlüsseln.
»Ihre Handtasche würde sie niemals irgendwo stehen lassen«,
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