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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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geklebter
Faden.

 
8
     
    Ein seltenes Sommerunwetter hatte den Himmel voller Wolkenfetzen,
die Luft kühl und Regentropfen an den Fenstern der Wohnung
zurückgelassen. Aus vier Blocks Entfernung war die Brandung zu
hören, ein dumpfes, von Zischen überlagertes Grollen.
Vergil saß vor seinem Computer, einen Handballen am Rand der
Tastatur, den Finger in der Schwebe. Auf den Videoschirm war ein sich
windendes, in Entwicklung befindliches DNS-Molekül zu sehen,
umgeben von einem Proteinschleier. Flackernde Abtrennungen von den
Phosphat-Zucker-Gerüsten der Doppelspirale ließen auf ein
schnelles Eindringen von Enzymen schließen, die chemische
Umsetzungen katalytisch steuerten. Zahlenkolonnen zogen am unteren
Rand über den Bildschirm. Er beobachtete sie mit geteilter
Aufmerksamkeit.
    Er mußte bald mit jemandem sprechen – jemand anderem
als seiner Mutter oder gar Candice. Die letztere war eine Woche nach
seiner Rückkehr vom Besuch bei seiner Mutter bei ihm eingezogen,
allem Anschein nach eifrig um Häuslichkeit bemüht, denn sie
säuberte die Wohnung, räumte auf und bereitete seine
Mahlzeiten.
    Manchmal kauften sie zusammen ein, und das war erfreulich. Candice
machte es Spaß, Vergil bei der Auswahl besserer
Kleidungsstücke zu helfen, und er ging auf ihre Vorstellungen
ein, obwohl die Erwerbungen sein bereits zusammengeschmolzenes
Bankkonto weiter auszehrten.
    Wenn sie ihn nach Dingen fragte, die sie beunruhigten, antwortete
er mit Stillschweigen. Und sie wunderte sich, weshalb er darauf
bestand, daß sie im Dunkeln miteinander schliefen.
    Sie schlug vor, daß sie zum Strand gingen, aber Vergil erhob
Einwände.
    Sie beunruhigte sich, daß er viel Zeit unter den neuen
Bestrahlungslampen verbrachte, die er gekauft hatte.
    »Vergil?« Candice stand in der Schlafzimmertür,
eingehüllt in einen Frotteebademantel mit Rosenmuster. »Wir
wollten zum Tierpark hinauffahren, erinnerst du dich?«
    Er hob einen Finger zum Mund und kaute am Nagel, er schien sie
nicht zu hören.
    »Vergil?«
    »Ich fühle mich nicht allzu gut.«
    »Weil du nie hinausgehst, deshalb.«
    »Tatsächlich fühle ich mich ganz gut«, sagte
er und wandte sich auf dem Stuhl um. Er schaute sie an, gab aber
keine weitere Erklärung.
    »Ich verstehe nicht.«
    Er zeigte zum Bildschirm. »Du hast es dir nie erklären
lassen.«
    »Du wirst ganz verrückt, und ich verstehe dich
nicht«, sagte Candice mit bebenden Lippen.
    »Es ist mehr, als ich je für möglich gehalten
hätte.«
    »Was, Vergil?«
    »Die Verkettungen. Die Kombinationen. Die Macht.«
    »Bitte, kannst du dich verständlich
ausdrücken?«
    »Ich bin gefangen. Verführt, aber schwerlich
verlassen.«
    »Ich habe dich nicht bloß verführt…«
    »Nicht du, Süßes«, sagte er abwesend.
»Nicht du.«
    Candice näherte sich zögernd dem Schreibtisch, als ob
der Bildschirm beißen könnte. Ihre Augen waren umflort,
und sie nagte an der Unterlippe. »Schatz.«
    Er notierte Zahlen vom unteren Rand des Bildschirms.
    »Vergil.«
    »Hmm?«
    »Hast du in der Arbeit etwas getan, ich meine, bevor du dort
aufhörtest, bevor wir uns kennenlernten?«
    Er wandte den Kopf und blickte sie verständnislos an.
    »Vielleicht mit den Computern? Warst du wütend und
brachtest ihre Computerprogramme durcheinander?«
    »Nein«, sagte er und grinste. »Ich brachte sie
nicht durcheinander. Vielleicht drehte ich ein bißchen daran,
aber sie werden es nicht merken.«
    »Weil ich mal einen kannte, der etwas gegen das Gesetz tat
und anfing, sich komisch zu benehmen. Er wollte nicht ausgehen, er
mochte nicht viel reden, genau wie du.«
    »Was hatte er getan?« fragte Vergil, immer noch Zahlen
notierend.
    »Er beraubte eine Bank.«
    Der Bleistift hielt inne. Ihre Blicke trafen sich. Candice
weinte.
    »Ich liebte ihn und mußte ihn verlassen, als ich es
erfuhr«, sagte sie. »Ich kann mit solch schlechten Dingen
einfach nicht leben.«
    »Keine Sorge!«
    »Ich war vor ein paar Wochen schon drauf und dran, dich zu
verlassen«, sagte sie. »Ich dachte, vielleicht hätten
wir alles getan, was wir zusammen tun konnten. Aber es ist irgendwie
verrückt. Ich habe nie jemanden wie dich gekannt. Du bist
verrückt. Verrückt klug, nicht verrückt von
irgendwelchen blödsinnigen Ideen, wie andere Kerle. Ich habe mir
gedacht, daß es wirklich wundervoll sein würde, wenn wir
einfach aufgelockerter miteinander sein könnten. Ich würde
dir zuhören, wenn du etwas erklärst, vielleicht
könntest du mir etwas von dieser Biologie und

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