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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Eisengeländer, eine Tür nach
der anderen aufstoßend. Sie versuchte, eine Art Rhythmus zu
finden. Kenneth und Howard waren einmal mit ihr in Maine wandern
gewesen, und sie hatte dort gelernt, daß jeder Wanderer einen
bestimmten Rhythmus hatte. Folgte man ihm, wurde das Gehen viel
einfacher; unterbrach man ihn, um jemand anderem zu folgen, wurde es
viel anstrengender.
    »Niemand da, dem ich folgen könnte«, sagte sie sich
im vierten Stock. Wieder summte sie »Michelle«, doch gelang
es ihr nicht, den Rhythmus ihren Schritten anzugleichen, so daß
sie sich damit begnügte, einen Marsch zu pfeifen. Im neunten
Stock begann sie zu schnaufen. »Noch eine Etage.« Und im
zehnten Stock setzte sie sich auf den Boden, den Rücken an der
Wand zum Aufzug-Vorraum, und starrte die Türen an. Vielleicht
war es keine gute Idee, aber sie war hartnäckig – ihre
Mutter hatte immer mit einigem Stolz gesagt, daß sie Ausdauer
habe –, und sie wollte nicht nachlassen. »Nichts anderes zu
tun«, sagte sie, und ihre Stimme hallte hohl im verlassenen
Raum.
    Nachdem sie verschnauft hatte, stand sie auf und nahm ihre
Traglast auf. Dann ging sie zur nächsten Tür und
öffnete sie. Wieder eine Treppe hinauf. Ein weiterer Vorraum,
mehr Korridore und Büros. Sie beschloß, eines der
Ausruhzimmer zu untersuchen.
    »Vielleicht gibt’s Wasser«, sagte sie sich. Sie
betrat den Vorraum der Toiletten, schaute zwischen Herren- und
Damentoilette hin und her und kicherte, ging dann in die
Herrentoilette. Sie leuchtete mit der Lampe über Spiegel und
Armaturen, gab der Neugier nach und ging durch den Waschraum zum
Pissoir. Sie hatte noch nie die Reihe der weißen
Porzellanbecken an der Wand gesehen, hatte sogar vergessen, wie sie
genannt wurden. Sie schaute unter die Toilettentüren und bekam
einen Schreck. Furcht vermischte sich mit aufkommender perverser
Heiterkeit.
    In einer der Toiletten lag ein Haufen Kleider. »Den hat es
gleich in die Toilette gesaugt«, murmelte sie, richtete sich auf
und fuhr mit der Hand über die Augen. »Armer Kerl. Was
für ein Ende.« Sie drehte den Warmwasserhahn am
Waschbecken. Wasser tröpfelte heraus. Mehr kam, als sie den
Kaltwasserhahn aufdrehte, aber es sah nicht vielversprechend aus.
    Sie verließ die Toiletten und schlenderte einen Korridor
entlang. Hinter einer großen hölzernen Flügeltür
mit japanisch klingenden Namen war ein Wartezimmer, samtbezogene
Sofas, Glastische und ein großer Schreibtisch nahe der
Rückwand. Es gab keine Empfangsdame und auch keine Kleider.
    Sie schaute aus dem Fenster des Wartezimmers hinab auf den Platz.
Der Beton war jetzt ganz unter einem braunen Überzug
verschwunden. »Weiter«, sagte sie sich. Die Himmelsleiter.
Stirb oben und sei dem Ziel näher!

 
28
     
    »Wie wenn man eine Kehle hinunterkriecht«, sagte
John.
    »Gott, bist du krankhaft.«
    »Es ist aber so, nicht?«
    »Tja«, sagte Jerry, grunzte und bückte sich tiefer.
»Wir benehmen uns wie Idioten. Warum dieser Hügel, und
warum jetzt?«
    »Du hast ihn ausgesucht.«
    »Und ich weiß selbst nicht, warum. Vielleicht ohne
irgendeinen Grund.«
    »Ob dieser oder ein anderer, es wird aufs gleiche
hinauslaufen.«
    Die Tunnelwände veränderten sich, als sie weiter
vordrangen. Große fleischige Röhren machten einem feinen,
glänzenden Netzwerk Platz, dessen Beschaffenheit an die
Innenwände von Gedärmen oder Mägen erinnerte. John
richtete den Lichtkegel nach oben und sah, daß jede kleine
Höhlung zwischen den Zotten mit winzigen Scheiben und
Würfeln und Kugeln angefüllt war, die in ungeordnetem
Durcheinander gestapelt waren. Der Boden verengte sich, das
schwammige, purpurne Material bildete Rücken, die parallel zum
Tunnel verliefen. »Drainage«, sagte Jerry und zeigte
hin.
    Sie ließen den Lichtkegel hin und her wandern, um an dem
Gefühl von Normalität und Sicherheit teilzuhaben, das er
ihnen gab. Manchmal leuchteten sie einander in die Gesichter, oder
inspizierten ihre Haut oder ihre Kleider, um sicherzugehen, daß
nichts an ihnen haftete.
    Auf einmal weitete sich der Tunnel und der dichte,
süßliche Nebel trieb um sie. »Wir sind weit genug
gegangen, um unter einem anderen Hügel zu sein«, sagte
Jerry. Er machte halt und zog seinen Stiefel aus etwas Klebrigem.
»Da ist so ein Zeug überall am Boden.«
    John leuchtete Jerrys Stiefel an. Eine bräunlichrote
zähe Masse haftete an der Sohle. »Scheint nicht tief zu
sein«, sagte er.
    »Vorläufig noch nicht.« Der Nebel roch schwach nach
Dünger, oder wie die

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