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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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europäischen Regierungen
setzen sie aus Furcht vor einem Atomkrieg unter Druck, und die Russen
nehmen sie nicht ernst. Bevor Sie mich im vergangenen Monat anriefen,
hatte ich geplant, meine erste Urlaubsreise seit sieben Jahren
anzutreten. Offensichtlich wird wieder nichts daraus. Michael, Sie
haben etwas in mein Leben gebracht, das mich umbringen kann. Bitte
vergeben Sie mir die selbstsüchtige Regung.«
    »Ich verstehe«, sagte Bernard.
    »In Deutschland gibt es einen alten Soldatenspruch«,
sagte Paulsen-Fuchs. »›Es ist die Kugel, die du nicht
hörst, die dich erwischt.‹ Sehen Sie darin eine Bedeutung
für sich?«
    Er nickte.
    »Dann machen Sie sich an die Arbeit, Michael. Tun Sie, was
Sie können, bevor wir alle von eigener Hand den Tod
finden!«

 
27
     
    Am Arbeitsplatz des Wachmannes fand Suzy eine lange, starke
Taschenlampe – sehr aufwendig, schwarz wie ein Feldstecher und
mit einem Lichtkegel, der durch Drehen eines Knopfes scharf
gebündelt oder weit gefächert werden konnte – und
machte sich daran, die Einkaufsstraße und den Verbindungsweg
zwischen den beiden Türmen zu erkunden. In einer Boutique
verbrachte sie einige Zeit mit der Anprobe von Kleidern, konnte sich
selbst jedoch nicht sehr gut im Lichtkegel sehen, und das
Vergnügen wurde rasch langweilig. Außerdem war es
spukhaft. Sie unternahm einen halbherzigen Versuch festzustellen, ob
andere wie sie das Gebäude betreten hatten, und wagte sich sogar
in die U-Bahn-Station Cordtlandt Street. Als sie sich vergewissert
hatte, daß die unteren Geschosse leer waren – mit Ausnahme
der allgegenwärtigen Häufchen von Kleidern –, kehrte
sie zurück zu ihrem Kerzenschein-Raum, wie sie ihn getauft
hatte, und plante ihren Aufstieg.
    Sie hatte einen Übersichtsplan vom Nordturm gefunden und fuhr
mit dem Finger die Grundrisse von Foyer und Verbindungsbau nach, um
sich zu orientieren. Beim Durchblättern des Plans wurde ihr
klar, daß das Gebäude keine hohen Treppenhäuser
hatte, sondern Verbindungstreppen, die in jedem Stockwerk an anderer
Stelle waren.
    Das bedeutete eine weitere Erschwernis ihres Aufstiegs. Sie fand
auf dem Plan die Tür, die zur ersten Treppe führte und ging
hin. Sie war verschlossen. Wieder am Tisch des Wachmannes,
stieß sie mit dem Fuß eine in sich zusammengesunkene
Uniform an und förderte einen großen Schlüsselring an
einer selbstaufspulenden Kordel zutage. Sie zog den Gürtel aus
den Schlaufen, bemerkte, daß ein Büstenhalter in der
Kleidung war und brachte die Schlüssel an sich.
»Verzeihung«, flüsterte sie und versuchte, die Kleider
wieder in ihren vorherigen Zustand zu bringen. »Ich leihe sie
bloß aus. Bin gleich wieder da.« Sie faßte sich und
biß sich auf den Daumen. Dummes Zeug, dachte sie bei sich.
Niemand ist da. Bloß ich, jetzt.
    Es dauerte einige Minuten, bis sie mühsam die Etiketten der
verschiedenen Schlüssel entziffert und denjenigen gefunden
hatte, der die Tür zum Treppenhaus öffnete. Hinter der
Tür waren schmucklose Stufen aus Beton und Stahl. Im
nächsten Geschoß kam sie in einen Korridor, spähte um
die Ecke und sah Türen, die zu verschiedenen Büros
führten, manche mit Schildern gekennzeichnet, andere bloß
numeriert. Ein rascher Blick in mehrere der Büros brachte ihr
wenig Aufschluß.
    »In Ordnung«, sagte sie sich. »Es ist nichts als
ein Fußmarsch, ein langer, steiler Fußmarsch. Ich werde
Essen und Wasser brauchen.« Sie blickte auf ihre Turnschuhe und
seufzte. Sie würde sich mit ihnen behelfen müssen, es sei
denn, sie nähme ein paar leere Schuhe von…
    Diese Idee war ihr zuwider. Hinter dem Zeitungsstand im Foyer fand
sie einen Plastikeinkaufsbeutel und füllte ihn mit
leichtgewichtigen Lebensmitteln aus ihrem Einkaufswagen. Wasser war
schwieriger; die Plastikflaschen mit Mineralwasser waren zu dick, um
sie in den Gürtel zu stecken, aber es gab keine rechte
Alternative. Und wenn sie in den oberen Stockwerken entdeckte,
daß die Wasserversorgung noch funktionierte –
außerdem mußte es Wasserkühler geben –, konnte
sie die Flaschen immer noch zurücklassen.
    Um acht Uhr dreißig am Morgen begann sie den Aufstieg. Es
war am besten, sagte sie sich, in gleichmäßigem Schritt
zehn Stockwerke zu steigen und dann auszuruhen oder zu erforschen,
was es auf dieser Ebene gab und was von dort von der Stadt zu sehen
war. Auf diese Weise würde sie bis zum Abend vielleicht oben
ankommen.
    Während sie »Michelle« summte, stieg sie Treppe um
Treppe hinauf, eine Hand am

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