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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sobald sie das Asyl verlassen. Und Erna war mehr draußen als drinnen. Wenn sie wieder krank wurde, ist sie vielleicht zu dem Menschen gegangen, der sich schon mal um sie gekümmert hat.«
    »Nun ja«, sagte er, »da sonst nichts viel versprechend aussieht, kann man es ebenso gut überprüfen – hast du Lust dazu? Ich bin auf dem Weg nach Century City.« »Klar«, sagte ich. »Wie heißt die Ärztin?« »Lass mich in meinem Block nachsehen … Hier ist sie … Hannah Gold.« »Ich werde mich sofort mit ihr in Verbindung setzen.«
    Ich rief Dr. Gold an, bekam eine männliche Sprechstundenhilfe an den Apparat, benutzte meinen Titel. Er sagte: »Sie hat gerade eine Patientin, Doktor.«
    »Es geht um eine Patientin. Ernadine Murphy.«
    »Handelt es sich um einen Notfall?«
    »Es ist wichtig.«
    »Bleiben Sie bitte dran.«
    Wenig später: »Dr. Gold möchte wissen, worum es geht.« »Ernadine Murphy wurde ermordet.«
    »Oh. Bleiben Sie bitte dran.«
    Diesmal musste ich länger warten. Derselbe Mann kam an den Apparat. »Dr. Gold hat heute Mittag um zwölf Zeit. Dann können Sie vorbeikommen.«
    Die Praxis befand sich in einem sandfarbenen Bungalow neben einer Fiat-Werkstatt. Auf einem schwarzen Plastikschild rechts neben der Tür stand:
    Dr.med Vrinda Srinivasan
    Dr.med. Hannah R. Gold
    Dr.med. Angela B. Borelli
    Innere Medizin, Geburtshilfe – Gynäkologie
    Gesundheitsprobleme von Frauen
    Ich traf um zwölf ein, aber Dr. Gold war nicht frei. Drei Patientinnen saßen im Wartezimmer – zwei ältere Frauen und ein hungriges Mädchen von ungefähr fünfzehn Jahren. Sie schauten alle hoch, als ich hereinkam. Der Teenager starrte mich an, bis mein Lächeln sie veranlasste, empört die Stirn zu runzeln, und dann zupfte sie weiter an ihrer Nagelhaut herum.
    Ein kleines, überheiztes Wartezimmer, das mit sauberen, aber verblassten Möbeln vom Sperrmüll eingerichtet war. Gerahmte Fotos – Machu Picchu, Nepal und Angkor Wat – hingen an den Wänden. Enya sang lieblich vom Band.
    Auf einem handgeschriebenen Schild, das am Schreibtisch der Sprechstundenhilfe klebte, stand:
    Wir nehmen Ihren Krankenschein –
    und manchmal kriegen wir sogar Geld vom Staat.
    Bargeld wird nicht abgelehnt – zahlen Sie, was
    Sie können, oder lassen Sie es bleiben.
    Kein Glas trennte den Empfangsbereich ab, wo ein junger Mann Anfang zwanzig mit ordentlich geschnittenen, vorzeitig ergrauten Haaren saß. Er war in Grundsätze der Buchhaltung vertieft, als handelte es sich um einen Thriller. Einem Namensschild auf seinem karierten, kurzärmligen Hemd zufolge hieß er ELI.
    Als ich vor ihn trat, legte er das Buch widerwillig beiseite.
    »Ich bin Dr. Delaware.«
    »Sie ist spät dran.« Er senkte die Stimme: »Sie ist ziemlich außer sich wegen dem, was ich ihr erzählt habe. Sie werden es vielleicht nicht merken, aber es stimmt. Sie ist meine Schwester.«
    Fünfundzwanzig Minuten später waren alle drei Patientinnen gegangen, und Eli verkündete, dass er zum Mittagessen gehe.
    »Sie kommt gleich raus«, sagte er, klemmte das Lehrbuch unter seinen Arm und verließ den Bungalow.
    Fünf Minuten danach betrat eine Frau in einem zugeknöpften weißen Kittel mit einem Krankenblatt in der Hand das Wartezimmer. Junges, fuchsartiges Gesicht, bronzefarbene Haut. Nicht viel älter als dreißig, aber ihre dicken, buschigen schulterlangen Haare waren schneeweiß. Die Gene; Eli würde auch bald so weit sein. Sie hatte blasse grüne Augen, die etwas Ruhe hätten gebrauchen können.
    »Ich bin Dr. Gold.« Sie hielt mir die Hand hin und ergriff meine defensiv, wie es zartgliedrige Frauen zu tun lernen, um nicht die Finger gequetscht zu bekommen. Ihre Haut war trocken und kalt.
    »Vielen Dank, dass Sie bereit waren, sich mit mir zu treffen.«
    Die meerfarbenen Augen wirkten offen und neugierig. Breiter Mund, kräftiges, markantes Kinn. Eine ausnehmend hübsche Frau.
    Sie schloss das Wartezimmer ab, setzte sich auf einen abgenutzten olivgrünen Sessel mit Fischgrätmuster, der zu nichts anderem in dem Raum passte, und schlug die Beine übereinander. Unter dem weißen Kittel trug sie eine schwarze Jeans und graue Stiefel. Enyas Stimme klagte auf Gälisch.
    »Was ist mit Erna passiert?«, fragte sie.
    Ich nannte ihr die wesentlichen Fakten.
    »Oh, mein Gott. Und Sie sind hier, weil …?«
    »Ich berate die Polizei. Sie haben mich gebeten, mit Ihnen zu reden.«
    »Soll heißen, der Mord hat psychologische Untertöne im Gegensatz zu einem simplen Verbrechen auf der

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