Blutnacht
Gleiche passiert.
»Dieser Job, den wir uns ausgesucht haben«, hatte sie vor ein paar Wochen gesagt. »Wir sollen Experten sein, aber welcher Gott hat uns dazu ernannt?«
»Der Baal der akademischen Welt.«
»Genau. Hol dir gute Noten, besteh die richtigen Examina. Es ist nicht gerade eine spirituelle Ausbildung.«
Lange Zeit sprach keiner von uns. Ich hörte sie seufzen.
»Was ist?«
»Bist du bereit für ein weiteres Geständnis?«
Ich drückte ihre Schulter.
»Meine kleine verchromte Freundin«, sagte sie. »Ich habe sie einmal benutzt.«
»Wann?«
»Bald nachdem ich sie bekommen hatte. Bevor ich in eigenen Räumen praktizierte, hatte ich eine Praxis in Culver City angemietet. Ich habe wirklich lange gearbeitet. Weil ich nichts hatte, was mich gereizt hätte, nach Hause zu gehen. An einem Abend war ich in der Praxis und erledigte bis nach Mitternacht Papierkram. Ich kam auf den Parkplatz raus, und ein paar Kids – Punks – hingen da rum, rauchten Gras und tranken Bier. Als ich zu meinem Wagen kam, gingen sie auf mich los. Sie waren zu viert – fünfzehn, sechzehn, sie schienen nicht hart drauf zu sein, aber sie waren deutlich hinüber. Bis zum heutigen Tag bin ich mir nicht sicher, ob sie mehr im Sinn hatten, als mich zu schikanieren. Aber als der Anführer vor mich hintrat – er stand buchstäblich vor meiner Nase lächelte ich mein schönstes mädchenhaftes Lächeln, zog die Pistole aus meiner Handtasche und hielt sie ihm vor seine Nase. Er hat sich in die Hose gepinkelt, ich konnte es riechen. Dann wich er zurück, rannte los, sie rannten alle. Als sie verschwunden waren, stand ich bloß da, das Lächeln immer noch in mein Gesicht gekleistert – es fühlte sich falsch an zu lächeln, aber einen Moment lang konnte ich meine Gesichtsmuskeln nicht bewegen. Dann fing ich an zu zittern, konnte nicht aufhören damit, die Pistole wackelte hin und her. Sie reflektierte den Mondschein – die Lichtblitze wirkten wie Sternschnuppen. Als wir oben im Canyon den Himmel beobachteten, kam mir dieses Bild wieder zu Bewusstsein … Ich hielt die Waffe so fest umklammert, dass mir die Finger wehtaten. Als ich mich schließlich beruhigte, war meine Hand immer noch angespannt. Ich hatte den Abzug tatsächlich teilweise durchgedrückt.«
Sie senkte den Kopf, schwarze Locken breiteten sich fächerförmig aus.
»Danach dachte ich daran, die Pistole wegzuwerfen. Aber ich beschloss, dass das nicht die richtige Reaktion wäre. Ich musste sie in den Griff bekommen – mehr von meinem Leben in den Griff bekommen … und jetzt kommt das wahre Geständnis: Ein Teil dessen, was ich an dir so attraktiv fand, war der Umstand, dass du mit Kriminalfällen zu tun hast. Ich hatte irgendwie das Gefühl, wir wären verwandte Geister. Ich habe viel an dich gedacht. Als du mich schließlich anriefst, war ich regelrecht aus dem Häuschen.«
Sie berührte meine Hand. Ihr Fingernagel kitzelte meine Handfläche. Meine Erektion war unvermittelt, körperlos.
Erst mit Robin, jetzt dies. Reagierte auf alles mit dem kleinen Köpfchen.
»Natürlich«, sagte sie, »war das nur ein kleiner Teil. Dass du gut aussiehst und klug bist, war kein Fehler.«
Sie sah zu mir hoch.
»Ich sage dir das nicht, um Robin zu übertrumpfen, weil sie Schwierigkeiten mit deiner Arbeit hatte und ich der große, tapfere verwandte Geist sein will. Es ist einfach so.« Sie packte meine Finger. »Klingt das alles verdreht?«
»Nein.«
»Verändert das, was ich gerade gesagt habe, die Dinge zwischen uns? Das will ich wirklich nicht. Ich bin so glücklich darüber, was wir an uns haben – ich gehe ein großes Risiko ein. Indem ich dich wissen lasse, wer ich wirklich bin.«
»Nichts hat sich geändert«, erwiderte ich. »Mir gefällt, was ich weiß.«
»Lieb von dir, das zu sagen.«
»Es ist die Wahrheit.«
»Die Wahrheit«, sagte sie, rollte sich auf die Seite und drückte sich an mich. »Das sollte fürs Erste reichen.«
Ich setzte sie vor ihrer Praxis ab und machte mich auf den Weg zu Gino’s, als Milo anrief.
»Abgesagt. Noch eine Leiche ist aufgetaucht. Ähnlich wie unsere, aber insofern anders, als sie nicht in der Nähe eines Veranstaltungsorts gefunden wurde. Unter freiem Himmel abgeladen, im Marschland in der Nähe der Marina. Lediglich halb verborgen von Sumpfpflanzen. Ein paar Radfahrer haben eine Schar von Vögeln an einer Stelle gesehen und sind hingegangen. Fortgeschrittene Verwesung, der Gerichtsmediziner schätzt, dass sie bereits zwei, drei
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