Blutnacht
umgebracht?«
»Künstler.«
Martins Augen wurden groß wie Untertassen. »Mehr als einen?«
»Leider ja, Professor.«
Sie seufzte. »Ich werde ganz bestimmt etwas Urlaub nehmen.«
»Was können Sie uns über Kevin Drummond erzählen?«, fragte Milo.
»Was ich Professor Delaware erzählt habe, stimmte: Ich habe keine besondere Erinnerung an den Jungen. Nach dem Besuch habe ich mir seine Abschriften angesehen. Mittelmäßiger Student, absolut nichts Außergewöhnliches.«
»Sie haben keine Erinnerung daran, dass er privat mit Shull verkehrt hat?«
»Tut mir Leid, nein. Studenten gehen in Gordons Büro ein und aus. Für einen bestimmten Typ ist er attraktiv. An Mr. Drummond speziell erinnere ich mich nicht.«
»Welcher Typ Student findet ihn attraktiv?«, fragte Milo.
»Gordon ist immer gut informiert über die letzten Trends, und das beeindruckt diejenigen, die sich leicht beeindrucken lassen. Ich bin sicher, dass er am liebsten Moderator einer Show bei MTV wäre.«
Ich fragte: »Hat Shull sexuell mit Studenten verkehrt?«
»Wahrscheinlich«, erwiderte sie.
»Wahrscheinlich?«, sagte Milo. »Einfach so?«
»Es hat keine Klagen gegeben, aber es würde mich wirklich nicht überraschen. Die meisten Studierenden, die Gordons Sprechstunden wahrnehmen, scheinen weiblich zu sein.«
»Aber es hat keine direkten Klagen wegen sexueller Belästigung gegeben?«
»Nein«, sagte Martin. »Sex zwischen Studenten und Dozenten ist ein fester Bestandteil des Lebens am College, und es kommt sehr selten zu Beschwerden. In den meisten Fällen handelt es sich um einvernehmlichen Sex. Ist es nicht so, Professor Delaware?«
Ich nickte.
»Kevin Drummond ist schwul«, sagte Milo. »Sollten wir uns das näher ansehen?«
»Sie fragen mich, ob Gordon bisexuell ist?«, erwiderte Martin. »Nun ja, davon habe ich nichts bemerkt, aber die Wahrheit sieht so aus, dass mich nichts überraschen würde, was Sie mir über ihn erzählen. Er ist jemand, den man früher als Bengel bezeichnet hätte. Ein hübsches Wort. Zu dumm, dass es nicht mehr benutzt wird. Er ist der Prototyp des verzogenen Balgs, hüpft munter umher und tut genau das, wozu er Lust hat. Haben Sie schon seine Mutter kennen gelernt?«
»Noch nicht.«
Martin lächelte. »Das sollten Sie aber. Besonders Sie, Professor Delaware. Wie für Sie geschaffen.«
»Ein Quell der Psychopathologie?«, fragte Milo.
Martin betrachtete ihn mit einem langen, amüsierten Blick. »Begriffe wie ›Höflichkeit‹ und »gesunder Menschenverstand‹ sind mit dieser Frau absolut unvereinbar. Jedes Jahr bei dem Stiftungsbankett geht sie auf mich los und erinnert mich daran, wie viel Geld ihr Mann hat springen lassen, und dann hält sie mir einen Vortrag über die wunderbaren Leistungen ihres süßen Jungen. Gordon ist auf ehrliche Weise an seine Angeberei gekommen. Sie präsentiert sich selbst als bessere Gesellschaft, aber nach dem, was ich mitbekommen habe, war ihr erster Mann – Gordons leiblicher Vater – ein Säufer. Ein erfolgloser Immobilienmakler, der eine Gefängnisstrafe wegen Betrugs abgesessen hat. Er und Gordons Bruder sind bei einem Brand ihres Hauses ums Leben gekommen, als Gordon jung war, und ein paar Jahre später hat sich die Mutter einen alten Knacker mit viel Geld geschnappt.«
Milo kritzelte in seinen Notizblock.
Martin sagte: »Das war sehr aufschlussreich, aber ich bin müde. Wenn das alles ist –«
»Es würde hilfreich für uns sein, falls Sie irgendwas Schriftliches von Shull hätten.« »In meinem Büro«, sagte sie. »Ich habe seinen letzten Jahresbericht. Jedes Mitglied des Lehrkörpers ist verpflichtet, einen abzuliefern – aufzulisten, was man erreicht hat, was man plant. Gordons Bericht ist reine Formalität, weil wir beide wissen, dass er seine Stelle auf Lebenszeit hat.«
»Vielleicht nicht«, erwiderte Milo.
»Was für ein wundervoller Gedanke«, sagte Martin. »Ich gehe morgen ganz früh ins College und schicke es Ihnen sofort zu.«
Sie brachte uns an die Tür, und Milo bedankte sich bei ihr.
»War mir ein Vergnügen«, sagte sie. »Wirklich … wissen Sie, jetzt, wo ich darüber nachdenke, überrascht es mich doch nicht so sehr, dass Gordon ein Mörder ist.«
»Und warum, Ma’am?«
»Jemand, der dermaßen falsch und oberflächlich ist, würde alles fertig bringen.«
42
Petra hatte eine halbwegs anständige Nacht.
Die Luft war kühl, der Himmel hatte eine samtige, schwarzpurpurne Färbung, wo Hollywood-Neon ihn nicht grau bleichte, und A.
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