Blutnacht
Drummonds schienen gesetzestreue Latinos zu sein.
Ruhig. Das letzte Fahrzeug, das vorbeigebraust war, war ein gelbes Taxi gewesen, vor zwölf Minuten.
Stahl zog den Reißverschluss seines schwarzen Anoraks hoch, verstaute sein Werkzeug in einer Knopftasche seiner schwarzen Cargohose, stieg aus dem Auto, widmete der Straße einen prüfenden Blick, streckte sich, atmete tief durch und rannte auf gut gepolsterten schwarzen Laufschuhen zu dem Haus hinüber.
Der Platz zwischen Drummonds Gebäude und seinem südlichen Nachbarn war ein wildes Durcheinander von Unkraut, angenehm weich unter den Füßen. In keinem der Apartments brannte Licht.
Während die Stadt schlief …
Er ging weiter zur Rückseite, überprüfte die Parkbuchten. Nur zur Sicherheit – er war schon mehrfach dort hinten gewesen. Von dem weißen Honda war nichts zu sehen. Drummonds Platz war leer.
Stahl eilte weiter zum Hintereingang des Hauses.
Abgeschlossen, einzelnes Sicherheitsschloss. Ein Alarmanlagenhinweis war auf das Holz geklebt, aber Stahl wusste von vorhergegangenen Recherchen, dass die Warnung nicht hielt, was sie versprach. Keine Kabel, kein Konto bei der Alarmanlagenfirma. Er holte sein Werkzeug heraus, zog die kleine, starke Taschenlampe mit dem gebündelten Strahl hervor, inspizierte seine Sammlung von Schlüsseln, starrte den Schlitz in dem Schloss an. Zwei Dietriche sahen viel versprechend aus. Der Erste passte.
Die Army hatte ihm beigebracht, wie man mit Schlössern spielte. Und alle möglichen anderen Fertigkeiten.
Diese besonderen Fertigkeiten hatte er nur einmal angewandt. In Riad, wo die Hitze und der Sand beinahe unerträglich waren und die unbarmherzige Sonne seine Netzhaut gebleicht hatte. Trotz all der Hochhäuser und Prestigekäufe, trotz der Verfügbarkeit amerikanischer Nahrungsmittel auf dem Stützpunkt war die Stadt in Stahls Augen nie etwas anderes als ein grässliches Wüstenloch gewesen.
Der Auftrag, in Riad ein Schloss zu knacken, war Teil einer größeren Operation gewesen: in das Penthouse eines saudiarabischen Prinzen einzubrechen, der die achtzehnjährige Tochter eines Militärattachés an der US-Botschaft verführt hatte.
Ein mageres, unscheinbar aussehendes blondes Mädchen mit einem niedrigen IQ und einem unterirdischen Selbstbewusstsein. Der gut aussehende, reiche Prinz hatte sie mit seiner angenehmen Stimme und süßen Worten dazu gebracht, ihm in seiner Wohnung Sex auf Anforderung zu gewähren, und sie mit Rauschgift versorgt. Jetzt sträubten sich Federn. Federn der königlichen Familie : Mit einem Mädchen von derart offensichtlicher Minderwertigkeit zu verkehren könnte sich als abträglich für das Image des Prinzen erweisen, aber die Saudis würden auf keinen Fall gegen ihren Goldjungen vorgehen. Die Drecksarbeit blieb immer den Ausländern überlassen.
»Sie müssen es so sehen«, hatte Stahls befehlshabender Offizier zu ihm gesagt. »Als Amerikanerin kommt sie glimpflich davon. Wenn sie Araberin wäre, würde sie gesteinigt werden.«
Offiziell wohnte der Prinz mit seiner Familie in einem Palast. Seine Fickbude war ein Paradies aus weißem Marmor in einem der höchsten Hochhäuser, dessen Lieferanteneingang in einer bestimmten Nacht zufällig offen gelassen worden und unbewacht geblieben war.
In derselben Nacht war der Prinz mit zwei Arschkriechern aus dem State Department zum Abendessen verabredet, die niemand leiden konnte. Begleitet wurde er von einer seiner drei Frauen, aber am gleichen Nachmittag hatte er die Amerikanerin in der F-Bude untergebracht, sie mit Pillen abgefüllt und sie, von einem philippinischen Dienstmädchen beaufsichtigt, dort gelassen, damit sie zur Verfügung stand, wenn er auf ein sexuelles Betthupferl vorbeischaute.
Stahl überwachte das Hochhaus und sah zu, wie der Prinz seine Schlampe ablieferte: Ein gelber Bentley Azure fuhr vor dem Lieferanteneingang des Gebäudes vor. Der Prinz, in ein weißes Seidenhemd und eine cremefarbene Hose gekleidet, stieg aus dem Wagen und ließ die Fahrertür offen stehen. Ein Angestellter eilte hinzu, um sie zu schließen, aber der Wagen rührte sich nicht vom Fleck. Fünf Minuten später ging die linke Beifahrertür auf, und zwei Männer in Anzügen stiegen mit einer verhüllten Gestalt aus, die sie eilig in das Gebäude schafften. Derselbe Angestellte stand für sie bereit und hielt ihnen die Tür auf.
Eine Stunde später setzte sich der Prinz, bekleidet mit einem langen, weißen arabischen Gewand und einem Keffijeh mit Goldband,
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