Blutnächte - 2
einem grimmigen Lächeln auf den Lippen wandte Pierre sich dem Eindringling zu.
„Verzeih mir, Pascal. Ich hatte nicht mit Besuch gerechnet.“
Pierre schob sich vor ihn. Er versperrte ihm die Sicht auf die Frau. Seine Haltung wirkte bedrohlich, als bereite er sich auf eine heftige Auseinandersetzung vor.
„Das sehe ich.“ Pascal blieb ruhig. „Du hast bereits Besuch. – Wer ist sie?“
„Interessiert sie dich?“
„Vielleicht.“
„Willst du mich abhalten von dem, was ich hier unten tue?“
„Das entscheide ich, wenn ich weiß, was genau du hier unten eigentlich machst.“
Es gelang Pierre nicht, Pascal aus der Ruhe zu bringen.
„Die anderen tun es oben, ich hier unten. Ich vergnüge mich. Was sonst?“ Pierres Lächeln verzog sich zu einem dreckigen Grinsen. „Die da ist mein Gast.“
„Du behandelst deine Gäste nicht sehr gut. Andrew würde das ganz sicher missfallen. Das weißt du.“ Als wollte die Frau ihm zustimmen, seufzte sie kläglich. Der Laut löste ein unbestimmtes Verlangen in Pascal aus. Es irritierte ihn. War es der Hunger? Oder die grauenhafte Anspannung, in die Andrews Aufgaben ihn versetzten? Er verwarf den Gedanken. Denn da gab es noch eine andere Frage, deren Beantwortung er suchte.
„Wenn du wirklich nur dein Vergnügen suchst, wozu dann der Zauber, um den Eingang zu schützen? Glaubst du, ich kenne ihn nicht?“
Pierre wusste nicht, ob er beeindruckt oder wütend sein sollte. Vor einigen Sekunden glaubte er noch, er hätte einfach vergessen, die Tür wieder zu versiegeln. Aber er hatte sich geirrt. Pascal wusste um den Zauber. Wie viel wusste er noch?
„Wie interessant.“
Die Frau in der Ecke begann mit einem Mal zu wimmern. Offensichtlich spürte sie die aufkommende Gefahr. Pascal fragte sich, ob sie Angst hatte. Vor den Vampiren. Vor ihm.
„Und nun willst du dich mir in den Weg stellen?“ Pierres Augen funkelten voller Angriffslust.
„Das kommt darauf an.“
Die Luft zwischen ihnen wurde dichter. Ihre überhitzten Gemüter schürten ein loderndes Feuer. Pascal fühlte, wie es in ihm zu brennen begann. Er glühte am ganzen Körper. Seine Gier und Ungeduld kämpften gegen seine äußerliche Ruhe.
„Also, was tust du hier unten?“, forderte er nun mit Nachdruck zu wissen.
Pierre trat endlich zur Seite, und Pascal konnte genau sehen, wie erbärmlich und ausgelaugt die junge Frau in den Ketten hing. Ihre halb geöffneten Augen wirkten glasig. Sie musste unter Drogeneinfluss stehen. Vermutlich nahm sie die Geschehnisse nicht einmal wahr.
„Ich bereite sie vor.“
Pascal traute seinen Ohren nicht. Mit ausdrucksloser Miene starrte er Pierre an. Es konnte nur ein Ziel geben, das Pierre mit einer Vorbereitung verfolgte.
„Ja, ganz recht.“ Pierre nickte. „Die alten Rituale. Du erinnerst dich also an sie?“
Pascal erstarrte. Er musterte die Frau von oben bis unten. Ihre weichen Rundungen, die trotz ihrer misslichen Lage so überdeutlich zur Geltung kamen. Die vollen Lippen wirkten sinnlich und verführerisch. Plötzlich machte Pascals dunkles Herz, das er längst für tot gehalten hatte, einen Satz. Wie wild begann es in ihm zu pochen, als wäre er tatsächlich wieder zum Leben erwacht. Es füllte seinen Brustkorb aus, überwältigte ihn regelrecht, obwohl er wusste, dass dort nichts sein konnte. Es schmerzte.
Immer schneller wurden seine Atemzüge. Was war es nur, das ihn so sehr in innerlichen Aufruhr versetzte? Er vermochte nicht zu sagen, wann er zuletzt etwas Ähnliches gespürt hatte. Eine sonderbare Schwäche überfiel ihn. Er verharrte stumm und betrachtete das unbekannte Wesen dort – vor ihm – in der Dunkelheit.
Sie befand sich zusammengekauert – halb liegend, halb gegen die Wand gepresst – in einer dunklen Ecke des Verlieses. Ihre geschundene Haut schimmerte unsagbar weiß. Sie zitterte. Mit jedem Atemzug, den sie tat, schüttelte sich ihr zierlicher Körper auf erbärmliche Weise.
„Natürlich erinnere ich mich an die alten Rituale“, sagte Pascal schließlich tonlos. Er hatte die Zeiten miterlebt und wusste um die Grausamkeiten. Beinahe wäre er damals selbst dem Wahnsinn verfallen. Andrew hatte ihn davor bewahrt. Aber würde er ein zweites Mal widerstehen können? Bereits der Anblick der Fremden versetzte ihn in Ekstase. Er stellte sich vor, wie seine Hände in ihr volles schwarzes Haar tauchten, wie süß ihr Duft sein mochte, und sich ihre Haut an seiner anfühlen würde. Wie ihre Blutstropfen auf seiner Zunge perlten.
Feuer
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