Blutnebel
er stünde in direktem Kontakt zu Gott. Und offenbar verstärkten sich die Signale durch seinen direkten Kontakt mit hübschen Jungfrauen.«
»Was, war sein Penis etwa eine Art himmlische Antenne? Eine Wünschelrute im ganz wörtlichen Sinn?«
Er wurde von einem so heftigen Hustenanfall geplagt, dass er sich schwor, mit Essen aufzuhören, bis dieses Gespräch beendet war. Als er wieder sprechen konnte, keuchte er schwer. »Es ist ganz schön gefährlich, in deiner Gegenwart zu essen. Willst du mich umbringen?«
Sie nahm sich noch ein Stück Pizza. Ihre Technik verlor langsam ihre bisherige Raffinesse: Diesmal schnippte sie die unerwünschten Beläge lediglich mit dem Finger weg. »Komm schon, erzähl mir alles. Ich begreife zwar nicht, inwiefern es auch nur entfernt mit dem aktuellen Fall zu tun haben soll, aber ich empfinde eine morbide Faszination dafür. Dieser Rufus Ashton – ein Perverser erster Ordnung – hat also im Namen der Religion einen Harem um sich versammelt. Und dann?«
»Offenbar war Rufus Ashton als Oberhaupt der Kirche eine unbegrenzte Anzahl von Ehefrauen gestattet. Die Männer in seiner Kirche, diejenigen, die er als Mitglieder akzeptierte, durften in direkter Abhängigkeit von ihrem Status bei Ashton Frauen haben. Die Kinder wurden in gemeinschaftlicher Atmosphäre aufgezogen, allerdings Mädchen und Jungen getrennt. Viele der Jungen wurden im Alter zwischen zehn und sechzehn wegen verschiedener Vergehen aus der Stadt verstoßen.«
»Ich wette, ihr schlimmstes Vergehen bestand darin, dass die älteren Typen aus der Kirche verglichen mit ihnen schlecht abgeschnitten haben«, sagte sie mit beißendem Sarkasmus.
»Hier werden Dennys Recherchen hypothetisch, aber ja, stimmt schon. Das nimmt er auch an. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Church of Elders natürlich sämtliche Verbindungen zu Ashton gekappt, also findet sich in ihren schriftlichen Zeugnissen nichts mehr in Bezug auf ihn. Aber eine Studentin von Denny hat neulich in ihrer Abschlussarbeit über dieses Thema geschrieben und bei ihren Nachforschungen ein paar weitere Details zutage gefördert. Ashton ist nebenbei ein bisschen als Wanderprediger unterwegs gewesen, um neue Kirchenmitglieder zu gewinnen. 1888 ist er durch die Gegend gereist, die heute das südliche Illinois ausmacht, und hat bei einem Farmerehepaar mit Namen Klinkel gewohnt.« Er hielt einen Moment lang inne, um einen Schluck Bier zu trinken, ehe er weitersprach. »Die Klinkels waren von seinen Predigten ziemlich eingenommen. Anscheinend war er früher schon mal in der Gegend gewesen. Und während seines Aufenthalts bei ihnen hat er ein Auge auf ihre Tochter Ruth geworfen. Die war eine ganz Niedliche, was man auf Fotos sehen kann, die Dennys Studentin offenbar ausgegraben hat.«
Ramsey legte sich eine Hand auf den Bauch. »Sag nichts. Sie war seine nächste Braut.«
»Du hast’s erfasst. Er hat ihre Eltern davon überzeugt, dass das Ruths Weg zur Erlösung sei, und sie haben eingewilligt, sie zum Altar zu begleiten, als Reverend Ashton sie zur Frau nahm. Es war vermutlich ziemlich praktisch für ihn, dass er selbst die Trauung vornehmen konnte, obwohl er der Bräutigam war.«
»Wie alt war sie?« Ramsey versuchte gar nicht mehr weiterzuessen. Ihre Miene war grimmig.
»Vierzehn.«
»Und er war vermutlich um Jahrzehnte älter. Er hat das Ganze mit Religion verbrämt, aber pädophil bleibt pädophil«, knurrte sie.
Nun war Dev bei dem Teil der Geschichte angelangt, der ihm selbst den Appetit verschlug. »Von da an gibt es nur noch lückenhafte Berichte, die auf Ahnenforscher aus der heutigen Familie Klinkel zurückgehen. Offenbar existieren noch Briefe, die Ruth an ihre Eltern geschrieben hat. Das Leben in Buffalo Springs war hart. Sie musste sich unter die dreizehn anderen Frauen Rufus Ashtons einreihen, und ihr Mann war ein strenger Zuchtmeister. Alle mussten schuften wie Sklaven. Die Arbeit von Männern und Frauen war gleich, und alle waren verantwortlich für den Bau der Kirche sowie die Erschließung des Steinbruchs und andere Betriebe. Ashton erwartete absoluten Gehorsam sowohl ihm selbst als auch den Richtlinien der Kirche gegenüber, die selbstverständlich er diktierte. Laut Ruths Briefen übte er totale Kontrolle über seine Frauen und Kinder – von denen er laut einem Brief vierzig hatte – sowie über andere Mitglieder der Kirche aus. Abweichler wurden hart bestraft.«
Dev hörte ein leises Geräusch. Als er nach unten blickte, sah er, dass sie die
Weitere Kostenlose Bücher