Blutnebel
bleiben, können Sie wahrscheinlich welche von Ihren alten Schuhen dazu tragen. Die Umkleidekabine ist da drüben.« Sie scheuchte Ramsey praktisch hinein und zog hinter ihr den Vorhang zu.
Es war, wie wenn man von einem Hurrikan erwischt wurde, dachte Ramsey, während sie sich mit grimmiger Entschlossenheit auszog. Man wurde hin und her geweht, nur um schließlich an einem fremden Ort zu landen und sich zu fragen, was zum Teufel eigentlich mit einem passiert war.
Draußen sprach Leanne mit der Verkäuferin. Irgendwas über klobigen Modeschmuck. Ramsey zog die Sachen an und strich sie glatt. Als sie in den Spiegel blickte, stellte sie verblüfft fest, dass Leanne recht gehabt hatte. Alles sah aus wie etwas, das auch Ramsey selbst ausgesucht haben könnte, und es stand ihr hervorragend.
Ohne sich lange zu betrachten, zog sie rasch alles wieder aus. Es war ja nicht so, dass sie keine ähnlichen Sachen zu Hause in ihrem Schrank gehabt hätte. Auch wenn Dev ständig Witze über ihre Garderobe machte, besaß sie durchaus normale Sachen.
Allerdings musste sie lange überlegen, wann sie zuletzt etwas angehabt hatte, das nichts mit ihrer Arbeit zu tun hatte.
Und das konnte sie nun wirklich nicht Stryker anlasten.
Sie klaubte die Sachen zusammen und zog den Vorhang beiseite. Vielleicht würde sie die von Leanne ausgesuchten Sachen kaufen, aber nur, weil sie sonst nichts Passendes hatte. Garantiert nicht, weil sie sich für Dev herausputzte.
»Ich habe eine Halskette und Ohrringe ausgesucht, die genau das Richtige für …« Leanne sah Ramsey enttäuscht an. »Haben die Sachen nicht gepasst?«
»Doch.« Ramsey hob den Arm, über dem die Teile hingen. »Ich nehme sie.«
»Ich wusste es«, sagte Leanne voller Genugtuung. »Ihm wird der Mund offen stehen bleiben, wenn er Sie sieht. Geschieht ihm auch recht. Der Mann ist in Bezug auf Frauen eindeutig zu sehr von sich überzeugt. Ich kenne keine einzige, die er nicht um den Finger wickeln kann, abgesehen von seiner Mutter. Aber die Frau hat Gletschereis in den Adern, also zählt sie nicht.«
Sie hätte nicht fragen sollen. Ramsey wollte auf keinen Fall tiefer in Devlin Strykers Leben einsteigen. Doch ihre Zunge wollte anders als ihr Gehirn.
»Dann hat er wohl kein enges Verhältnis zu seiner Mutter?«
Leanne warf Ramsey einen wissenden Blick zu. »Wenn ich Ihnen das sage, verraten Sie mir dann, wen Sie erschossen haben und warum?«
»Nein.«
Leanne verzog enttäuscht den Mund. »Tja, das ist jetzt eher alte Geschichte als Klatsch, aber hier in der Gegend ist es kein Geheimnis, dass Celia Ann Stryker es kaum erwarten konnte, Abstand zu Buffalo Springs zu gewinnen, nachdem Devs Daddy unter Mordanklage gestellt worden war. Sie hat auch verdammt schnell seinen Familiennamen abgeschüttelt. Irgendwie kann ich ja verstehen, wie schwer es für sie gewesen sein muss«, räumte sie ein, während sie Ramsey zur Kasse folgte. Dort legte sie den Modeschmuck auf die Kleidungsstücke und redete weiter. »Soweit man hört, war Lucas Rollins ganz ähnlich wie Dev. Ein verträglicher Mann, keiner, der sich gern betrinkt und über die Stränge schlägt. Was einem wie ein grausamer Witz vorkommt. Eine Frau wie Celia Ann hätte nämlich die meisten Männer zum Trinker gemacht.«
Ramsey lauschte mit halbem Ohr, während sie den Schmuck betrachtete, der definitiv klobig war und den gleichen Jadeton aufwies wie das Top. Die zwei Stücke waren ganz anders als alles, was sie selbst ausgesucht hätte, doch sie gab unumwunden zu, dass ihr Geschmack rein pragmatisch geprägt war.
»Jetzt hören Sie mich nur schwatzen.« Leannes reuevoller Tonfall veranlasste Ramsey, sich ihr erneut zuzuwenden. »Am Ende denken Sie noch, ich sei eine schreckliche Quasseltante. Ja, ich bin voreingenommen, das muss ich zugeben. Aber ich finde eben, dass es in der Hölle einen Sonderplatz für Frauen geben müsste, die ihren zweiten Mann über das Wohlergehen ihres einzigen Kindes stellen, meinen Sie nicht auch?«
»Manche Frauen hätten eben nie Mütter werden sollen«, stimmte Ramsey ihr zu, während sie der Verkäuferin ihre Kreditkarte reichte. Was Mütter anging, so würde Celia Ann gegen ihre eigene vermutlich als Mutter des Jahres abschneiden.
Doch sie hatte Hilda Hawkins überlebt. Ja, sie hatte ihre gesamte Kindheit und Cripolo, Mississippi, überlebt. Niemand ging völlig ungeschoren durchs Leben. Und sie war ehrlich genug, um zuzugeben, dass manches aus ihrer Vergangenheit immer noch die Macht hatte,
Weitere Kostenlose Bücher