Blutnetz
gefischt worden.
Alles war verloren.
Der hochgewachsene Detektiv kniete sich noch einmal neben seinen Freund und durchsuchte dessen Taschen ein wenig gründlicher. In Scullys Weste fand er eine Fahrkarte für den 20th Century Limited mit Anschluss nach San Francisco.
»Einsteigen! Alles ein...«
Der letzte Aufruf des Zugführers ging unter, als der Lokführer mit einem doppelten Pfeifton das Startsignal gab. Isaac Bell stand auf und dachte angestrengt nach. John Scully musste jemanden verfolgt haben, den er als Spion oder Saboteur verdächtigte und der offenbar nach San Francisco fahren wollte, wo die Große Weiße Flotte Nachschub fasste, ehe sie den Pazifik überquerte.
Er wandte sich an den Van-Dorn-Lehrling, der den getöteten Detektiv mit großen Augen anstarrte. »Sieh mich an, mein Sohn!«
Der Junge löste den Blick von Scully.
»Es gibt eine Menge zu tun, und du bist hier der einzige Van Dorn, der es in die Wege leiten kann. Sammle sämtliche Zeugen ein. Diese Arbeiter dort, dann den Chinesen mit dem Wagen und die anderen Leute, die hier herumstehen. Ganz sicher hat irgendjemand etwas gesehen. Dieser Polizeibeamte hilft dir, okay?«
»Ich tue, was ich kann«, sagte der Cop zögernd.
Bell drückte ihm ein paar Geldscheine in die Hand. »Halten Sie sie hier fest, während dieser junge Gentleman mit der Van-Dorn-Zentrale telefoniert und jeden verfügbaren Agenten herbestellt. Und jetzt beeil dich! Danach kommst du hierher zurück und machst dich an die Arbeit. Denk daran, die Leute sind froh, dass sie reden können, wenn du ihnen die Gelegenheit dazu gibst.«
Der Boden erzitterte. Der 20th Century Limited rollte schneller werdend in Richtung Chicago.
Isaac Bell stürmte auf den Bahnsteig, rannte über den roten Teppich des Expresszugs und sprang.
Die Flotte
34
1. Mai 1908
Unterwegs nach Westen mit dem 20th Century Limited
»Darauf muss getrunken werden«, sagte der Spion.
Und zu Ehren Isaac Beils sollte es eine ganz besondere Rezeptur sein.
Kurz bevor die Telefonleitung getrennt wurde, als der 20th Century Limited den Grand Central Terminal verließ, hatte Katherine Dee gemeldet, dass John Scully nun in dem Teil des Jenseits residiere, der für Van-Dorn-Detektive reserviert war. Der Spion legte den Hörer auf die Gabel und winkte einem Steward des Aussichtswagens.
»Weiß Ihr Barkeeper, wie man einen Yale-Cocktail mixt?«
»sicher weiß er das, Sir.«
»Hat er Creme Yvette?«, fragte der Spion streng.
»Natürlich, Sir.«
»Dann bringen Sie mir einen - oh, und bringen Sie diesen Gentlemen dort ebenfalls das, worauf sie Lust haben«, fügte er hinzu und deutete auf ein Paar Chicagoer Geschäftsmänner mit geröteten Wangen, die ihn finster anstarrten. »Tut mir leid, Freunde. Ich hoffe, ich habe Sie nicht daran gehindert, in letzter Minute irgendwelche wichtigen Telefongespräche zu führen.«
Das Angebot eines Gratisdrinks hatte eine besänftigende Wirkung, und einer der beiden gab zu: »Ich wollte eigentlich nur im Büro Bescheid sagen, dass ich den Zug erreicht habe.«
Sein Freund sagte: »Ich glaube, das merken sie bestimmt, wenn du nicht zurückkommst und rumjammerst, du hättest ihn nicht mehr erwischt.« Reisende, die in Hörweite saßen, lachten und gaben den Scherz an andere weiter, die ihn nicht mitbekommen hatten.
»sich mal! Da ist jemand, dem es beinahe passiert wäre.«
»Fr ist offenbar gesprungen!«
»Oder geflogen!«
Der Spion schaute zum hinteren Teil des Waggons. Ein großer Mann in weißem Anzug kam von der hinteren Plattform herein.
»Vielleicht hat er kein Ticket und will schwarzfahren.«
»Da kommt schon der Schaffner - stürzt sich auf ihn wie ein Wachhund.«
»Passen Sie mal für einen Moment auf meinen Cocktail auf«, sagte der Spion. »Mir ist gerade eingefallen, dass ich noch einen Brief diktieren muss.«
Dieser Zug stellte den Reisenden als kostenlosen Service einen Stenografen zur Verfügung. Der Spion begab sich eilig zum Schreibtisch des Mannes am vorderen Ende des Aussichtswagens, schlug den Kragen seines Mantels hoch und zog sich den Hut tiefer ins Gesicht. Dann setzte er sich so, dass er dem Detektiv den Rücken zuwandte. »Wann verlässt ein Brief den Zug, wenn ich ihn jetzt aufgebe?«
»In vierzig Minuten. Er wird in Harmon weiterbefördert, wenn wir anhalten, um die Elektrolok gegen eine Dampflok auszuwechseln.« Er griff nach einem Briefumschlag mit der eingeprägten Aufschrift VIA 20TH CENTURY. »Ar wen soll der Brief adressiert
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