Blutnetz
nicht genau, was. Die Verwirrung und der immer noch vorhandene leichte Nebel verschafften ihm den Vorteil einiger wertvoller Sekunden Zeit, und als er ins Visier genommen wurde und die ersten Schüsse fielen, donnerte er bereits mit dreißig Knoten übers Wasser. Er schoss an einigen Wach- booten vorbei, zog noch mehr Feuer auf sich. Einiges davon kam bemerkenswert präzise. Gut sechs Kilometer jenseits der Bojen, die die Fahrrinne, die zum Hafen führte, markierten, blickte er zurück. Der Nebel löste sich schnell auf und war mittlerweile nicht mehr als ein leichter Dunstschleier. Durch die Schwaden konnte er einige Rauchsäulen erkennen - drei oder vier Torpedoboote hatten die Verfolgung aufgenommen und machten mit ihren Vier- Zoll-Geschützen am Bug Jagd auf ihn.
Je weiter er sich von der Küste entfernte, desto rauer wurde die See und bremste seine Flucht. Die Torpedoboote holten allmählich auf. Als sie sich ihm bis auf viereinhalb Kilometer genähert hatten, eröffneten sie das Feuer, und das Einzige, was ihn rettete, war die Tatsache, dass das Fünfzig-Fuß-MAS nur ein winziges Ziel darstellte. Bei drei Kilometern Abstand schlugen die Granaten ungemütlich nahe ein, und Bell ging auf Zickzack-Kurs, was einen Treffer erschwerte, die Fahrt des MAS jedoch auch weiter abbremste. Schon bald waren die Torpedoboote nahe genug, dass er die Männer hinter den Buggeschützen erkennen konnte.
Er blickte nach vorn und suchte Rauchwolken oder die hohen, verschwommenen Umrisse eines Gittermasts.
Eine Vier-Zoll-Geschützgranate schnitt mit ohrenbetäubendem Kreischen durch die Luft und explodierte vor ihm im Meer. Jetzt hatte sich der Nebel aufgelöst. Stellenweise war bereits blauer Himmel zu sehen. Er konnte das leitende Torpedoboot und zwei weitere dahinter deutlich ausmachen. Eine weitere Granate schlug gefährlich nahe ein. Er sah, wie sie fast auf gleicher Höhe mit seinem Boot aufs Wasser prallte und wie ein geworfener flacher Kieselstein weiterhüpfte.
Der Himmel vor ihm erstrahlte mittlerweile in einem tiefen Blau und wurde plötzlich vertikal von einer Rauchsäule geteilt, als hätte ein dunkles Schwert das Firmament gespalten. Er hörte das dumpfe Rumpeln in schneller Folge abgefeuerter Fünf-Zoll-Geschütze. Geschützgranaten rasten über ihn hinweg. Wasserfontänen überschütteten das führende Torpedoboot, und alle drei wendeten fast auf der Stelle und flohen in Richtung Küste.
Jetzt sah Bell seinen Retter mit Volldampf auf sich zukommen. Bei dessen Geschwindigkeit - und seiner eigenen - dauerte es nur wenige Minuten, bis er die vertrauten Gittermasten, Funkantennen und Vierzehn-Zoll-Geschütze des 27000-Tonnen-Schlachtschiffs USS New York erkannte.
Innerhalb von Minuten war Bell aufs Hauptdeck gehievt worden. Matrosen eskortierten ihn zum Fuß eines Gittermasts. Er überreichte seine Lagekarte dem Kommandanten der Sixth Squadron, einem breit grinsenden Konteradmiral Lowell Falconer, der sie mit seiner verkrüppelten Hand ergriff, sie mit einem schnellen Blick inspizierte und daraufhin eine Reihe von Befehlen gab.
Bell sagte: »Ich helfe den Richtschützen bei der Auswahl der Landmarken.«
Ein Matrose, der nur halb so alt war wie er, bot ihm seine Hilfe beim Ersteigen des Masts an.
»Danke«, sagte Bell. »Ich habe selbst schon mal auf so einem gesessen.«
Die Vierzehn-Zoll-Geschütze der New York, entworfen von Arthur Langner, waren auf Spezialtürmen montiert, die von Arthur Langners Nachfolgern noch perfektioniert worden waren. Sie konnten in extreme Schusswinkel gebracht werden, wodurch sich der Wirkungsbereich der Geschütze enorm vergrößerte. Ein Zielsuchsystem, entwickelt von Grover Lakewoods Technikerteam, berechnete die Entfernung bis zur U-Boot-Werft. Dann hallte der Donner von Geschützsalven über das Wasser. Hochexplosive Geschützgranaten rasten zur fernen Küste.
Mittlerweile hatte die Flut eingesetzt. Deutsche Schlachtkreuzer liefen aus dem Hafen aus. Sie waren schnell und schwer bewaffnet, aber ihre Panzerung konnte dem Feuer der New York nicht standhalten, und sie hielten sich in Sicherer Distanz, bis eine Formation ausgewachsener deutscher Dreadnoughts am Horizont erschien. Die Matrosen, die sich mit Bell die Enge der Beobachtungsplattform teilten, wechselten besorgte Blicke.
Die deutschen Dreadnoughts kamen näher. Die Amerikaner fuhren fort, ihr Ziel zu bombardieren.
Schließlich verkündeten hochwallende Qualmwolken die Zerstörung der U-Boot-Werft.
Falconer ordnete an,
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