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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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bevor ich sagen könnte, daß es mich demütig machte. Ich sagte ihm, daß ich mit Felton von der Mordkommission gesprochen hatte, aber er drehte sich um und nahm meinen Arm, zog mich in einen Stuhl und sagte: »Du bist suspendiert, junge Frau, ab sofort.«
    »Du kannst mich nicht suspendieren. Du bist nicht mein Vorgesetzter. Besprich das mit Stu Hollings, wenn du mich suspendiert haben willst. Und hör’ auf, mich so zu behandeln.«
    »Wie 50? Wie eine Erwachsene?«
    »Ich bin Polizistin gewesen, Joe. Ich weiß, was ich tue. Ich weiß, wie ich mich verhalten muß. Und warum malträtierst du meinen Arm so?«
    Ich stand auf und ging einen Schritt von ihm weg. Meine neuen Schuhe hatten rutschige Sohlen und so wäre ich beinahe weiter fortgetragen worden, als ich wollte. Ich sagte: »Ich habe keine Untersuchung vermasselt. Ich habe nichts falsches getan, es sei denn, du spricht von einigen Vorschriften aus einem Handbuch, an denen jemand zwei Jahre gesessen hat, und die schon zwei Minuten später keinen Sinn mehr machen. Was ich getan habe, war, zu den Ermittlungen beizutragen. Detective Felton hat nicht mit der Wimper gezuckt. Er fand es sogar gut.«
    Joe war still. Er war auf die andere Seite des Tisches gegangen, um mehr Distanz zwischen uns zu bringen. Er sagte ruhiger: »Was ist los mit dir? Langweilt dich dein Schreibtischjob? Willst du etwas Aufregung? Ist es das? Willst du wieder zur Polizei?«
    »Nein. Das ist es nicht. Ich will, daß die Mörder von Jerry Dwyer gefaßt werden. Ist das so falsch? Ich habe Angst, daß der Fall untergeht. Du weißt, wie das passiert.«
    »Dieser Fall ist nicht anders als irgendein anderer. Denkst du, daß die Verwandten und Kinder dieser Frau« — er zeigte auf die Tüte mit dem Fleisch — »wollen, daß der Dwyer-Fall zuerst behandelt wird? Denkst du nicht, daß auch sie Schmerzen haben? Was ist mit der Vierjährigen, der sie im Vorbeifahren ein Auge ausgeschossen haben? Jeder will zuerst drankommen. Jeder kommt auch zuerst dran. Jeder.« Er schaute einen Moment weg und sagte dann: »Dieser Fall wird nicht untergehen.«
    Ich schaute ihn an, lies aber nicht locker und sagte ruhig, »Woher weißt du das?« Ich wollte ihn nicht verärgern. Ich wußte, daß er der Beste war. Ich wußte es seit dem Tag, als ich ihn zum ersten Mal traf und auf einem der jährlichen Konferenzen, wo wir Gerichtsleute hingehen, sprechen hörte. Und nach einem Jahr arbeitete ich dann in seiner Abteilung und wußte eigentlich nie, wann ich mich in ihn verliebt hatte.
    »Weil ich«, sagte er, »diesen Fall nicht untergehen lassen werde.«
    »Okay, ich verschwinde aus deinem Gesichtskreis.«
    »Es gab einen Anruf für dich heute nachmittag von Mrs. Dwyer.«
    Natürlich. Es gab eine Mrs. Dwyer, irgendwo im Mittleren Westen.
    »Mrs. Dwyer?«
    »Sie wollte mit dir reden, weil sie wußte, daß du bei der Polizei bist, sagte sie. Du kanntest ihren Sohn.«
    »Und du sagtest ihr, daß ich nicht bei der Polizei bin.«
    »Ja.«
    »Aber du sagtest, daß ich mit ihr reden würde.«
    Er nickte. »Hier ist die Nummer«, sagt er und zog ein Stück zerknäultes Papier aus seiner Tasche. »Sie wohnt im Cozy Inn in Newport.«
    Er kam näher, um mir das Papier zu geben. Warum er dann, ausgerechnet in diesem Moment, zu der Zeit und an diesem Ort, wo doch noch nicht alle nach Hause gegangen waren, zehn Zentimeter von mir entfernt, sein Geruch in meiner Nase und sein Atem ganz nah, mich nicht berührend, aber auf mich hinunterschauend, und mich dann auf den Mund küßte — hart — das werde ich nie verstehen. Aber er tat es.
    Und dann drehte er sich um und ging zur Tür hinaus. Das war’s.
    Ich rief ihm nach: »Das kannst du nicht machen, Joe!«
    Ein Mann, den ich nicht kannte, ging von der anderen Seite durch den Raum und sah mich an, als ob er sagen wollte, mit der möchte ich auch nicht arbeiten.
    Joes Kuß ärgerte mich aus tausend Gründen, obwohl ich in der Erinnerung daran noch immer fieberte. Ich ging an diesem Abend nach Hause und schaute mir eine Folge von Roseanne an, die ich schon einmal gesehen hatte. Ich lachte aber wieder herzlich darüber. Sie ist großartig. Wenn man zwischen den Zeilen liest, dann kann man ganz schön was lernen. Ich dachte mir, daß es Spaß machen würde, mit John Goodman zu schmusen, wenn er nur hinten seine Hosen hochziehen würde. Ich versuchte, nicht an Joe zu denken.
    Obwohl es schon zehn Uhr war, als ich Mrs. Dwyers Nummer wählte, antwortete sie nicht. Vielleicht hatte ich auch

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