Blutorangen
Siehst du, er versucht es. Gib ihm eine Chance.«
»Was hast du ihm von mir erzählt?«
»Daß du bei der Polizei bist. Ich habe ihm nichts von der Stripperei erzählt, weil ich dachte — «
»Patricia?«
»Was?«
»Das reicht, ja? Ich muß jetzt Schluß machen.«
Als sie sich verabschiedete, hörte sie sich verletzt an, aber dafür konnte ich nichts.
Ich fühlte einen Knoten im Bauch, den auch ein Gang zum Kühlschrank nicht lösen konnte. Als ich wieder an meinem Schreibtisch war, wählte ich die Nummer vom Cozy Inn. Ich konnte Rowena Dwyer zuhören und das war zwar nicht sehr zufriedenstellend, aber eine gute Tat.
Es war drei Uhr. Mrs. Dwyer nahm ab. Ich sagte ihr, wer ich sei, und daß ich ihre Nachricht erhalten hatte, und daß mir die Geschichte mir ihrem Sohn sehr, sehr leid tat. Ihre Stimme hatte ich mir anders vorgestellt. Alles, was ich über sie wußte war, daß sie, wie Jerry gesagt hatte, eine gute Geschäftsfrau war. Vielleicht erwartete ich eine tiefe, geschäftsmäßige Stimme, aber im Mittleren Westen ... wo eigentlich genau? Chicago vielleicht, aber er hatte nicht Chicago gesagt, und ich glaubte nicht, daß sie dort lebte. Die Stimme war sanft, und ich dachte, ich hätte sie geweckt. Sie sagte, sie wolle mit mir reden, da ihr Mann — sie sagte ihr Mann, nicht ihr Ex-Mann — mich erwähnt hätte. »Sie sind nicht bei der Polizei, aber Sie sind irgendwie ...?«
»Ich bin Spezialistin für Gerichtsmedizin«, sagte ich. »Wissen Sie, was das ist?«
»Nicht genau.«
»Ich sammle Beweismaterial am Tatort. Wir prüfen es im Labor und versuchen, herauszufinden, was passiert ist.«
Sie dachte gleich nur an Fingerabdrücke. Ich sagte ihr, wir hätten kaum welche. Was ich ihr nicht sagte, war, daß, selbst wenn wir versteckte Fingerabdrücke hätten — Fingerabdrücke, die nicht im Blut sind, sondern beispielsweise auf Zeitschriften sind — sie immer noch nicht eindeutig zuordnen könnten. Außerdem ist es ein sehr langwieriger Prozeß. Wenn die Abdrücke nicht gut und sauber sind, wie auf der Karte, die bei der Polizei erstellt wird, wo jeder Finger von dem Beamten auf ein Quadrat gedrückt wird, damit man weiß, wo oben und wo unten ist, ist die Auswertung die wahre Hölle. Wenn man sechs Monate in dieser Abteilung gearbeitet hat, braucht man eine Brille, trotz Computer. Dennoch ist der Computer eine so große Erleichterung, daß man sich eigentlich nicht beklagen darf. Ich hatte schon vorher versucht, Betty Brankoff dort zu erreichen, aber sie war nicht da, und wer auch immer das Telefon abnahm, hörte sich an, als ob er zu lange Kodein genommen hatte. Ich hinterließ eine Nachricht.
Während unseres Gesprächs hörte Mrs. Dwyer zwischendurch auf zu sprechen, sammelte sich wieder und sprach weiter, aber ich bekam den Eindruck, daß sie Kraft gewonnen hatte dadurch, daß sie kurz nachdem unser Gespräch begonnen hatte, sagte: »Jerry starb vor sieben Tagen.« Sie sagte nicht: »Es passierte vor sieben Tagen«, und sprach nicht vorsichtig davon, daß er nicht mehr bei uns ist, oder warum es ihm zugestoßen ist. Sie sagte knallhart: »Jerry starb vor sieben Tagen. Das sind sieben Tage, in denen seine Mörder lebten und Jerry nicht.«
Ich fragte sie, was ich für sie tun könne, warum sie mit mir sprechen wollte. Sie sagte: »Ich weiß es im Augenblick nicht genau, aber ich wollte Sie wissen lassen, daß ich hier bin und auch einige Zeit hier bleiben werde. Ich werde mich vielleicht an jemanden wenden müssen.«
Ich sagte, daß ich dies verstehe, aber daß ich sie, falls sie eine Beratung brauche, weiterleiten würde. Es hörte sich in diesem Moment auch in meinen Ohren kalt an.
Sie sagte ziemlich spröde: »Das meine ich nicht. Wenn ich etwas herausfinde, dann möchte ich es mit jemandem besprechen, der mit dem Fall vertraut ist.«
»Ich bin eigentlich gar nicht — « begann ich, aber sie unterbrach mich mit den Worten: »Könnten wir uns treffen, Miss Brandon? Ich würde wirklich gerne mit einer anderen Frau sprechen.«
»Es tut mir leid«, sagte ich. »Ich täte es gerne, aber Sie sollten wirklich besser mit jemandem von der Kriminalpolizei reden. Haben Sie Sergeant Gary Svoboda kennengelernt oder mit Detective Felton gesprochen?«
»Ich habe Detective Felton kennengelernt. Ich werde Sergeant Svoboda morgen treffen. Morgen ist die Beerdigung. Am Nachmittag werde ich mit ihm reden.« Sie ist ganz schön hart, wenn sie nach der Beerdigung ihres Sohnes mit ihm sprechen will. Ich sagte
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