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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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öffentlichen Bibliothek gegangen und, da es jetzt wärmer war, konnten wir draußen in der Sonne sitzen. Der Himmel war strahlend blau und weiße Wolken — eine Rarität in diesem Land — bewegten sich in zwei Reihen über die Dächer hinweg. Schwarze Vögel mit gelben Augen flogen von Bäumen herunter, die kreisförmig im Zement angesiedelt waren und landeten neben uns, als ob sie etwas erwarten würden. Ein etwa vierzigjähriger Mann, der hinter seinem ungepflegten Bart gut aussah, saß nicht weit von uns und studierte einen Busfahrplan.
    Ihr Ex-Mann verkaufte jetzt das Geschäft und ging mit ihr zurück in den Mittleren Westen, sagte Rowena. Er hatte nach dem Mord einen leichten Herzinfarkt erlitten. »Ich will nur nicht, daß wir dorthin gehen und man uns hier vergißt. «
    Ich ließ sie mir alles, was sie in der Mappe hatte zeigen, und sagte ihr wieder, daß wir alles täten, um die Mörder ihres Sohnes zu finden, und daß ich viel Vertrauen in unsere Leute hätte. Sie schüttelte mir die Hand, als wir uns verabschiedeten. Keine Tränen, keine feuchten Augen, aber zwei Falten, die sich an beiden Seiten der Lippen fast bis zum Kinn hinzogen.
     
    Nach der Arbeit fuhr ich zu Patricia. Sie war nicht da. Ich ging bei Roland, Nr. 210, vorbei, aber es brannte kein Licht Ich tat das an drei aufeinanderfolgenden Abenden und sprach tagsüber auf den Anrufbeantworter. Am Wochenende versuchte ich, sie unzählige Male anzurufen und fuhr zweimal bei ihr vorbei.
     
    Mein Bruder Nathan rief an. Er sagte: »Wenn du unsere Eltern Weihnachten besuchen möchtest, dann zahle ich dir den Flug.« Ich sagte ihm, daß ich Florida hasse.
    »Du bist gereizt«, sagte er.
    »Ich habe viel zu tun, Nathan.«
    »Irgendwann werden sie sterben und wie fühlst du dich dann?«
    »Darum kümmere ich mich, wenn es soweit ist.«
    »Du bist herzlos, Samantha. Wie ein Stein.«
    »Nathan, mich verbindet nichts mit ihnen.«
    »Sie haben dir als Baby den Hintern abgeputzt und dich gefüttert, oder nicht?«
    »Laß mich das auf meine Art und Weise regeln, okay, Nathan? Sie wissen, daß ich sie liebe.«
    »Auf abstrakte Art und Weise.«
    »Ja, auf abstrakte Art und Weise. Ich liebe den Gedanken an sie, wie sie glücklich in ihren Sesseln sitzen. Wie sie in den Club gehen und Braten machen oder was auch immer. Wer bist du, daß du mir sagen willst, wie ich mich ihnen gegenüber fühlen muß? Ich besuche sie, wann ich will, mach dir keine Sorgen.«
    Er versteht das nicht, weil er genauso ist wie sie. Es ist schon komisch in unserer Familie. Meine Eltern waren sehr streng, bis Nathan heranwuchs. Dann, Mitte der sechziger bis Mitte der Siebziger Jahre, wurden sie spleenig, nahmen ein paar leichte Drogen und verheimlichten sich Dinge, und ich glaube, ich war noch nicht alt genug, um damit umgehen zu können. Ich war selbst etwas aus der Bahn geworfen. Ich fing mich vor ihnen wieder, aber als sie die Kurve kratzten, wurden sie religiös. Ich war damals in Vegas, und mehr will ich dazu nicht sagen.
    Einen Moment lang, während ich mit ihm sprach, rief ich mir Rowena Dwyer vor Augen und fragte mich, ob diese verwirrten und entfernten Blicke jemals in den Gesichtern meiner Eltern zu lesen waren. Wenn ja, dann tat es mir leid. Mist, jetzt mußte ich doch Weihnachtseinkäufe machen.
     
    »Du kannst ja mit mir Weihnachtseinkäufe machen, Joe«, sagte ich, als er fragte, ob wir zusammen ausgehen wollten. Wir standen bei meinem Auto am Labor, als er mir sagte, daß er mich zum Essen ausführen wollte.
    Wir aßen, wir kauften ein, wir stritten. Wir stritten, als ich sagte, daß ich Roland Dugdale treffen wolle, weil ich Patricia nicht erreichte. Joe sagte, ich solle mich um meine eigenen Dinge kümmern. Oh, etwas falscheres hätte man Smokey-Girl nicht sagen können.
    Vorher, in einem der schicksten Restaurants, in denen ich je war, hatte Joe mich mehrmals geküßt, und ich dachte, ich müsse von dem Sitz auf den Boden rutschen. Er roch etwas süßlich, und obwohl ich es nicht ausstehen kann, von dem Parfüm einer Frau überwältigt zu werden, wenn sie vor mir den Gang hergeht, so ist es ein Faktum, daß Herrendüfte genau das Richtige, oder vielmehr das Falsche in mir anrichten.
    Joe war ein wenig beschwipst, er hatte zu viel Bourbon mit Soda getrunken, und ich muß sagen, ich liebte den weißen Gin. Als dann mein Handrücken über Joes Bauch strich und Joe sagte, er verlöre langsam seine »Jungmädchenfigur«, sah ich ihn verführerisch an und sagte etwas

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