Blutorangen
er das nicht machen kann, dann ist er im Kulturzentrum und beseitigt seinen Frust mit Lehm. Das muß einen doch berühren.«
»Solche Leute wird es immer unter uns geben.«
»Betrüger wird es immer geben. Dieser Typ...« Gary rieb sich den Nacken.
Ich schöpfte Hoffnung. »Warum bedrücken dich diese zwei so sehr?«
»Ich sagte dir doch schon, sie machen nur Ärger.«
»Was hat er gemacht, um die Aufmerksamkeit deiner Freundin auf sich zu lenken?«
»Du ißt ja gar nichts. Möchtest du ein paar Kartoffeln? Die sind gut. Wie ist der Salat? — Also gut. Frank erhielt einen Anruf von einem Motelbesitzer. Der Typ mußte einen Schluck Alkohol zu sich nehmen, nur um sich zu beruhigen. Er zeigte nach hinten und da saß Phillip oben auf der Rutsche des Swimmingpool und brüllte herum. Frank fragte wie lange er schon trinke und er sagte, >Ich wollte nur schwimmen gehen. Hör’ zu, ich pinkel auch in eine Flasche für dich,< und er fing an, seine Hose aufzumachen. Es stellte sich heraus, daß sie sich über eine kaputte Dusche gestritten hatten, und Phillip sich den Manager geschnappt und ihm gedroht hatte. Also Frank hat ihn pusten lassen, und er war sturzbetrunken, der armselige Blödmann.«
»Vielleicht ist er nur gefährlich, wenn er getrunken hat«, sagte ich.
Gary aß das letzte Stück Brot zusammen mit dem Rest-Hackbraten, als er sagte: »Der Typ macht nur Mist, egal, wie man sich die Sache betrachtet. Der einzige Job für ihn ist, Affenscheiße wegzukehren.«
Das Premierenkino ist auf dem Hollywood Boulevard in der Nähe eines alten Kinos, wo früher Filmpremieren gezeigt wurden, ein Stück hinter dem berühmten Wäschegeschäft, »Frederick’s of Hollywood«, wo man in den siebziger Jahren Strumpfbänder und andere Reizwäsche bekam. Diese Dinge werden heute draußen auf Ständern bei >Robinsons< zwischen den Flanellschlafanzügen und Ninja-Turtle-Pantoffeln verkauft.
Es war Heiligabend. Kein Verkehr auf den Autobahnen Richtung Norden. Meine Jacke war offen, mein Fenster heruntergekurbelt, und ich ließ eine Kassette mit Vogelstimmen aus dem Westen laufen. Ich war bei dem kleinen kalifornischen Mückenfänger angekommen, der in Küstengestrüpp nistet, aber mittlerweile durch die Häuser-
bauten fast ausgestorben ist. Dann folgte das Chu-chu-chu-chu eines anderen vom Aussterben bedrohten Vogels, dem Kaktuszaunkönig. Ein stark gefleckter Vogel mit einen heruntergebogenen Schnabel und weißen Augenbrauen, der sich im Unterholz aufhält und fast knuffende graulende Töne abgibt. Ich habe glücklicherweise einmal einen in seichtem Gewässer sehen können, als ich mit Farmer außerhalb von Capistrano spazieren ging. Ich betrachtete ihn, ohne zu wissen, was es für ein Vogel war, prägte mir sein Aussehen ein und schaute es später nach.
Die Landschaft war fast völlig braun von der Trockenheit, aber sonst war es ein Tag, der die Leute dazu veranlaßt, nach Kalifornien zu ziehen. Der Tag war klar und hell, und ich dachte, es wäre schön, bis nach Santa Barbara zu fahren. Es wäre ein schöner, perfekter Tag, um Annie Gwendolyn Dugdale, die Mutter von Phillip und Roland G. aufzuspüren. Die letzte, bekannte Adresse war: Debut Halfway House, Hollywood Boulevard, Hollywood. Neben »Frederick’s«.
Carolyn Snyder war eine nette Frau in meinem Alter, vielleicht ein bißchen älter, mit einem muskulösen Körper und ernsten Augen.
Wenn sie sprach, dann war es, als ob man ihr ein großes Problem zugetragen hatte, über das sie jetzt nachsinnen müsse; ihre Augen waren besorgt und weit weg.
Sie lehnte mit einer Hand an der Türschwelle und eine blonde Haarsträhne fiel über ihre rechte Gesichtshälfte. Ich hatte nur gefragt: »Lebt hier eine Annie G. Dugdale?«
Carolyns Job war es, dafür zu sorgen, daß zwölf Frauen genug Seife für die Waschmaschine, Bettzeug und Zugang zu Ärzten und Beratern hatten. Vorher hatte ich ihr gesagt, wer ich war und für wen ich arbeitete.
»Annie ist also in Schwierigkeiten«, sagte sie.
»Ich wollte nur sehen, ob sie heute da ist und mit ihr reden.«
»Sie sind wie Kinder, wissen Sie«, sagte sie und schüttelte langsam ihren Kopf. »Eine Weile geht es gut, man denkt, man hätte etwas erreicht, dann gehen sie wieder. Oh, sie kommen normalerweise wieder zurück. Manchmal nehmen sie gar keine Drogen. Sie verschwinden einfach«, sagte sie, zuckte mit den Schultern und schaute mich mit einem freundlichen Gesichtsausdruck an. »Und dann tauchen sie wieder auf. Ich frage
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