Blutorangen
ins Badezimmer und kam nicht heraus.
Wir waren alle einen Moment lang still, bis ich Trudys tiefe Stimme hörte: »Ist das nicht schrecklich?« sagte sie. »Warum tun die Kinder sich sowas an?« So viel hatte Trudy in einer so großen Gruppe noch nie gesagt. Heute schien sie entspannt zu sein, sie lachte, und als sie das gesagt hatte, blieb ihr Blick quer durch den Raum auf mir haften. Neben ihr stand Billy K., beide lehnten an der Wand, während sie aßen, ihre Kaffeetassen standen auf dem Sims. Trudys Augen waren ungefähr auf der Höhe von Billy K.s Ellenbogen. Ihr Haar schien länger zu sein, und sie trug bunte Sachen, grüne Hosen, eine rote Bluse und rote Weihnachtsohrringe, mit Lichtern, die an und aus gingen, und auf ihren Wangen reflektierten. Ich fragte mich, ob Trudy mit Billy Zusammenkommen könnte. Meine Augen trafen dann seine, und ich dachte, oh, oh, und schaute weg.
Herb sagte mit Blick auf die Mitte des Raumes: »Die Welt dreht sich eben weiter.«
Wir standen da mit unseren Weihnachtstellern voller Essen, und ihr farbiges Muster schien durch Bohnen, Guacamole, Limonenkuchen und Brownies. Ich wünschte allen frohe Weihnachten, umarmte die Männer wie die Frauen und entschloß mich, mein Auto auf dem Parkplatz zu lassen und zu Fuß zu Gary zu gehen.
Als ich darauf wartete, daß die Ampel auf grün sprang, dachte ich darüber nach, was ich morgen, am Heiligen Abend, machen würde. Ich hatte nicht erwartet, den Abend mit Joe verbringen zu können. Aber als er mir gestern sagte, er würde sich um seinen Sohn David, der Semesterferien hatte, und Jennifer kümmern, fühlte ich mich schon einsam. Er sagte, wenn er früh weg käme, dann würde er noch vorbeikommen. Es ist genauso, als ob er noch mit seiner Frau zusammen wäre. Wow, ich war noch nicht einmal nahe dran, auf Joe eineinhalb Jahre zu warten und die Türschwelle überwunden zu haben. Patricia hat mich einmal gefragt woher man weiß, daß man liebt. Ich sagte, wenn du den Namen der Person immer wiederholst, ohne die Lippen zu bewegen.
Es war warm draußen, vielleicht 20 Grad, aber im Café war es kalt. Gary kam zwei Minuten nach mir, und ich saß auf meinen Händen vor Kälte. Er setzte sich mir gegenüber ins Licht, und die Sonne reflektierte auf den weißen Metalltischen draußen und preßte seine Pupillen zu winzigen Punkten zusammen. Unsere Umgebung, die aus alten Steinen, gebleichter Eiche und glänzendem Messing bestand, war ein schöner Kontrast zu dem eintönigen Beige des Labors, aber es war kalt. »Das hier könnte eine Filiale der Leichenhalle sein«, sagte ich.
»Bei >Marvellens< ist es immer kalt«, sagte er. »Manchmal sage ich ihr, sie solle ihre Füße auf die Getränke legen, dann bräuchten wir keine Eiswürfel.«
Ich lachte, weil er es mit soviel Güte in den Augen sagte.
»Bei der Arbeit hole ich mir manchmal eine Tasse Kaffee, nur um meine Hände zu wärmen. Wahrscheinlich habe ich Schlangenblut.« Der Kellner kam mit den Karten. »Könnte ich etwas heißen Tee haben, bitte?« Ich betonte heiß, weil Kalifornier, wenn sie Tee hören, immer an Eistee denken, frag’ mich nicht, warum.
Gary sagte: »Ich nehme den Hackbraten und du?« Sein dicker Finger suchte in der Karte herum, als er mich ansah, und sein Walroßschnurrbart glänzte im Licht gold-orange.
»Ich glaube nicht«, sagte ich. »Hey, Gary, hast du gemerkt, daß ich dir den besten Sitzplatz habe zukommen lassen?«
»Hm?«
»In Oakland paßt man auf, was hinter einem vor sich geht.«
»Ich passe auf, was hinter mir, vor mir, neben mir und unter mir vorgeht«, sagte er. Der Kellner kam mit meinem Tee zurück und Garys Diätcola und nahm unsere Bestellung auf. Dann legte Gary einen großen Arm auf den Tisch, grinste und sagte: »Phillip Dugdale hat sich einen Job verschafft, und zwar Affenscheiße im Zoo zu entfernen.«
»Was? Gary, was hat er getan?«
»Weißt du, die Mexikaner kann man ja noch verstehen, die haben keinerlei Vorteile in ihrem Land. Aber das hier sind weiße Jungs. Unser Freund Phillip war so schlau und hat sich betrunken der Ruhestörung in Garden Grove sträflich gemacht, wo mein Freund Frank Filis arbeitet. Weil er vor Richter Rickenbacker kommt, wird ihm eine sechzehnmonatige Strafe wegen Beleidigung erspart bleiben.
»Was ist los? Erzähl.«
»Dugdale erzählt ihr diese Geschichte mit den Anonymen Alkoholikern, wie er versucht hat, klarzukommen, daß er einen Job als Tellerwäscher sieben Tage die Woche hat, wenn er will, und wenn
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