Blutorangen
high werden, Chris?« fragte ich.
Er ließ den Holzlöffel los, verdrehte seine Augen in Richtung Himmel und zitterte mit den Händen.
Chris überwacht per Monitor den Roboter, der die Analyse des gesamten toxischen Materials beschleunigen soll, das die Leute legal oder illegal zu sich nehmen, um ihr langweiliges und erbärmliches Leben zu beenden. Der Roboter leitet dieses Lösungsmittel als Chloroform in die Versuchsröhrchen, verschließt sie, schüttelt sie und leitet sie in eine Zentrifuge, wo sie mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit gedreht werden, was das Lösungsmittel dazu bringt, sich von der anderen Flüssigkeit zu trennen. Chris stellt den pH-Wert fest, identifiziert säurehaltige Medikamente wie Kodein und Tylenol, steckt dann das Versuchsröhrchen in den analytischen Roboter und wiederholt das Ganze noch einmal. Dieses Mal wird es auf Antidepressiva, auf Narkosemittel wie Kokain und salpeterhaltige Oxyde und auf anorexische Mittel, die den Appetit verhindern wie >Meth<, das magische Vitamin und »China whites eine Designerdroge mit einer 18 000 Mal so hohen Giftwirkung wie Heroin, untersucht. Und bei jedem Durchlauf von dreißig Versuchsröhrchen fügt er sieben oder acht andere Komponenten für einen linearen Check hinzu. Das ist ein Muß, damit sich kein Zeuge auf dem Zeugenstand damit herausreden kann, daß etwas nicht korrekt durchgeführt wurde.
Als alles fertig war und jeder seinen Teller nehmen konnte, um zu essen, versammelten wir uns um Chris wie zögernde Schulkinder, während er den Glasdeckel des Topfes hob und mit einem Schöpflöffel austeilte. Die Mixtur war melonenfarben.
»Es riecht wie Chili, aber es sieht nicht aus wie Chili«, sagte jemand.
»Es sieht aus, als ob es ein sehr kranker Hund von sich gegeben hätte«, sagte ich und alle stöhnten auf oder sagten: »Danke, Smokey, vielen Dank.«
»Ich muß euch sagen, daß dieses Produkt von Robert entwickelt wurde«, sagte Chris. Robert ist sein Roboter. »Ich nenne es >Chris Cummins Crimeval Chili<.«
Mein Chef stand hinten und wartete neben zwei Registerschränken vor der Tür, hatte aber alles im Blick. Vorgesetzte warten immer bis zum Schluß, bevor sie sich bedienen, genau wie Leutnants sich im Krieg immer an die vorderste Front begeben.
»Ganz wie sie wollen«, sagte Chris strahlend und füllte den nächsten Teller. Billy sagte uns, daß man es essen könne, wenn man die Augen schlösse — und jeder aß es, sogar ich, obgleich ich Gary Svoboda in weniger als einer Stunde zum Mittagessen traf.
»Wo ist Joe Sanders?« Die Frage wurde von einem Kolumbianer gestellt, den Joe vor einem halben Jahr für einen Job empfohlen hatte.
Kathleen schaute sich im Zimmer um, nickte mit dem Kopf, als sie die Personen zählte, und sagte: »Ja, es fehlen einige Leute, nicht wahr?« Sie trug ein rotes Kleid mit einer angenähten Schneeflocke auf einer Schulter. Der Kollege neben ihr saß halb auf dem Tisch und warf ihr anerkennende Blicke zu.
Luther Furijawa sagte, er hätte Joe am Morgen in der Leichenhalle gesehen. »Wir hatten dort einen Fall mit Pflanzenöl.« Dieser knochige Mann mit seiner grauen Strähne über der rechten Schläfe wurde von jedem gemocht und respektiert.
Stu Hollings sagte von draußen: »Ich dachte, Freon wäre verboten«, womit er die Fluorkalzium-Treibstoffbasis meinte, die in den Dosen benutzt wird. Fluorkalzium ist kardiotoxisch. Einige Leute reagieren schon nach wenigen Anwendungen. Das Herz beginnt zu flimmern.
»Ja, Kathleen kann jetzt nicht mal mehr Korrekturflüssigkeit riechen«, sagte der Angestellte. »Was passiert nur mit dieser Welt?«
Luther Furijawa sagte, »Das ist richtig. Trichloroethan, die Trockenflüssigkeit in Korrekturlösungen, wurde von einer nichtgiftigen, ozonfreundlichen Flüssigkeit ersetzt.« Er schüttelte den Kopf und sagte: »Dieser junge Mann war fünfzehn Jahre alt, ein Einserstudent noch dazu. Es ist so traurig. Dr. Watanabe dachte, daß es ein Fall von einfachem Erstickungstod sei — Selbstmord oder vielleicht Tod durch die Hände eines anderen — da der Junge einen Plastiksack über dem Kopf hatte. Aber ich hatte Angst, daß er etwas eingeatmet hatte, was sich verflüchtigt hatte. Deshalb untersuchten wir die Lungen unter Wasser.« Als Luther das sagte, tat er das nicht, um sich selbst zu loben, so ist er nicht. Er fügte hinzu, daß der Junge mit zwei Freunden zusammen war, Hausarbeiten machte, Musik hörte und Kekse aß, die der Junge selbst gebacken hatte. Er ging
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