Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
einen schwarzölig glänzenden Fisch im Schnabel, den die Tiere gerade hatten verspeisen wollen. Beide Vögel verspritzten dünnflüssige Kotladungen, weil sie sich bei ihrer Mahlzeit gestört fühlten. Sie zielten dabei nicht schlecht, doch Benir antwortete mit einem kräftigen Atemstoß.
Nur ein kurzes Keuchen, das war alles, was seiner Kehle entfuhr. Trotzdem wurden die Möwen zurückgeschleudert wie von einer unsichtbaren Faust getroffen. Erschrocken ließ die eine den Fisch fallen, und beide suchten kreischend das Weite. Ihre weißen Kotstränge wurden abrupt abgelenkt. Statt auf Nera oder Benir niederzugehen, regneten sie in die Gasse.
»Ganz schön gemein«, tadelte Nera lächelnd.
»Selbst schuld.« Benir zuckte mit den Schultern. »Die wollten uns anscheißen.«
An der Fassade angelangt, mieden sie den Stammplatz der Möwen, unter dem sich stinkende Gräten, Flossen- und Schuppenreste auftürmten. Als sie sich ein Stück davon entfernt niederließen, wurde mit einem Mal deutlich, wie sehr Nera die Flucht anstrengte. Schnaufend legte sie eine Hand auf die sanfte Rundung ihres Bauchs und ging umständlich in die Knie.
In direktem Kontakt mit dem Boden, ohne den Atem des Himmels, erging es ihr wie jeder anderen schwangeren Frau. Das zusätzliche Gewicht und die ungewohnte Körperform raubten ihr die Geschmeidigkeit, mit der sie sich normalerweise fortbewegte.
Während sie noch nach einer bequemen Position suchte, spähte Benir bereits vorsichtig in die Tiefe.
Das Erste, was ihm auffiel, war der frisch glänzende Möwenkot, der die Auslage eines Tuchhändlers verunreinigte. Trotz der weiß besprenkelten Tücher war kein einziges Augenpaar in die Höhe gerichtet. Wenn es denn etwas gab, an das sich die Einwohner der weißen Stadt noch mehr gewöhnt hatten als an den Anblick schwebender Lichtbringer, dann an die ätzenden Gaben, die Möwen und Seereiher von Zeit zu Zeit in Richtung Erde sandten. Angesichts des Aufmarschs von Schädelreitern, der mittlerweile durch die Gassen drängte, hätte aber auch niemand aufgeschaut, hätte ihn ein Spritzer mitten auf die Glatze getroffen.
»Was hat das alles zu bedeuten?«, hauchte Nera, denn das Bild, das der Basar bot, hatte sich binnen kürzester Zeit radikal gewandelt.
Immer mehr Schädelreiter strömten in der Gasse zusammen und drängten rücksichtslos an den Händlern und ihren Kunden vorbei. Der Platz war plötzlich so eng, dass Waren umgeworfen oder von den Auslagen gestoßen wurden. Dem Lärm aus den benachbarten Gassen nach ging es dort nicht viel ruhiger zu. Dennoch hörte man aus dem zwei Eingänge entfernt liegenden Atrium weiterhin das Klatschen harter Schläge sowie eine aufgeregte Frauenstimme, die verzweifelt rief: »Lasst ihn doch in Ruhe! Er hat nichts Böses getan!«
Wer auch immer dort drüben ins Visier von Gothars Schergen geraten war, ihm wurde verdammt übel mitgespielt.
»Die beiden Schädelreiter vor meinem Versteck …« Nera unterbrach sich kurz, um tief Luft zu holen, bevor sie fortfuhr: »Die haben da nicht grundlos herumgeschnüffelt. Das war ein Suchtrupp von vielen.«
Benir antwortete nicht. Seine Gefährtin wusste auch so, dass ihre Vermutung stimmte. Schweigend schirmte er seine Augen gegen die Sonne ab und spähte zur Festung empor. Vergeblich suchte er nach weißen, sich rasch vergrößernden Punkten. Noch war nichts dergleichen zu entdecken, aber es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Maar seine Lichtbringer aussandte.
»Die haben das ganze Viertel abgeriegelt.«
Benir nickte. Mehr für sich selbst, als um ihre Worte zu bestätigen.
Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg. Sie mussten hinunter von den Dächern, so viel stand fest. Angesichts der unter ihnen zusammengezogenen Truppen wäre es jedoch Wahnsinn gewesen, durch die Straßen zu fliehen. Also blieb nur ein einziger Weg …
Das schrille Wehklagen aus der Nachbarschaft verstummte abrupt, und so nahmen sie erstmals ein Geräusch wahr, das an eine schwere, über schroffen Felsen ausrollende Brandung erinnerte. Es lag auch etwas Metallisches in dem Grollen, als würde Eisen gegen Eisen schlagen. Von allen Seiten rückte das dumpfe Scheppern näher.
Benir fühlte Übelkeit in sich aufsteigen.
Gepanzerte! Sie riegelten das Viertel ab.
Seine Rechte fuhr von allein unter den ledernen Umhang, um nach einer der schmalen Schlaufentaschen zu tasten, die sich an seinem Leibgurt wie Perlen an einer Schnur aufreihten. Gleich darauf hielt er einen sorgfältig
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