Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
Ärger bekommt, wir sind’s jedenfalls nicht.«
Normalerweise wäre die Sache damit für ihn erledigt gewesen, doch aus irgendeinem Grund starrte er weiter zum Horizont, bis sich die Staubschleier langsam legten. Zum ersten Mal, seit Ragon unter Gothars Knute ächzte, kam ihm der Gedanke, dass sich all die Entscheidungen, die in der Schwebenden Festung gefällt wurden, auch auf ihn und seine Familie auswirken mochten.
Mit sorgenvoll gefurchter Stirn sah er zum strahlend blauen Himmel auf. Nur ein paar weiße Wölkchen waren dort zu sehen. Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass sich über ihren Köpfen ein schwerer Sturm zusammenbraute.
14
A uf dem Weg zur Blutkammer
Ursa genoss es, ihrem Bruder noch einmal so nahe zu sein wie in unbeschwerten Kindertagen. Obwohl – oder vielleicht auch gerade weil – ihr eine innere Stimme leise zuraunte, dass er sie an diesem Tag vermutlich zum letzten Mal auf seinem Rücken trug. Nicht nur, weil Urok ein Geächteter war und sie eine Hüterin des Blutes, sondern ganz einfach, weil die Zeiten ihrer Kindheit der Vergangenheit angehörten.
Auf ihrem Weg durch den dunklen Eingangstunnel kam ihnen niemand entgegen. Im Bereich rund um die Steinkrone gab es weder bewaffnete Posten noch Patrouillen. Wozu auch? An diesem Ort herrschte das Blut der Erde. Heiß und pulsierend konnte es die Eingänge innerhalb weniger Atemzüge verschließen. Schneller, als jeder Feind hindurchzustürmen vermochte.
Dabei wirkte der Grund der Steinkrone vollständig erloschen.
Die beiden Greise, die sich um den Kräutergarten kümmerten, sahen nicht einmal auf, als Urok den natürlichen Innenhof betrat. So karg und abweisend der Felswall auch von außen wirkte, drinnen präsentierte er sich von seiner fruchtbaren Seite. Trotz der rundum aufstrebenden Hänge flutete das Sonnenlicht ungehindert herab. Sauber voneinander getrennte Pflanzengruppen blühten in sattem Blau, Gelb und Rot. Manche sprossen in den bizarren Verwerfungen, in denen das Blut der Erde von Natur aus zu erstarren pflegte. Andere wuchsen in akkuraten Einfassungen heran, die von kundigen Priesterhänden eigens dafür geschaffen wurden.
Einige Kirsch-, Birnen- und Maulbeerbäume vervollständigten das Bild ebenso wie drei kegelförmige Felsschlote. Deren offene Spitzen dienten vor allem zur Entlüftung der unterirdischen Kammern. Doch die heißen Dämpfe, die ihnen entwichen, kollidierten auch mit den kühleren Felswänden. Dadurch schlug sich laufend Feuchtigkeit nieder. Über natürliche Furchen, Vorsprünge und Grate hinweg floss das so gewonnene Nass herab und bewässerte auf seinem Weg in die Tiefe sämtliche Beete.
Zur Mitte hin fiel das gut achthundert Orkschritte durchmessende Areal beinahe trichterförmig ab. An seinem niedrigsten Punkt mündete der Boden in einer bizarren Wölbung, deren Aussehen an eine halbierte Stachelkastanie erinnerte. Unterhalb dieser Erhebung, die über eine Orkhöhe maß, führte eine steile Felsrampe in ein unterirdisches Reich, das nicht nur aus Erzschmelzen und Schmieden, sondern auch aus Wohn- und Gebetshöhlen bestand.
Und aus der großen Blutkammer.
Obwohl sich Urok zweimal provozierend räusperte, blickten die
Greise weiterhin stur zu Boden. Damit stand endgültig fest, dass sie ihn absichtlich ignorierten. Schweigend marschierte er auf den Einstieg zu, der wie ein offenes Raubtiermaul vor ihnen lag, und tauchte ohne zu zögern in den gähnenden Schlund ein. Anfangs musste Ursa noch den Kopf einziehen, doch schon nach wenigen Schritten wuchs die Decke so weit in die Höhe, dass sie gänzlich in der über ihnen lastenden Finsternis versank.
Obwohl die von außen einfallende Sonne nur wenige Armlängen hereinreichte, wurde es nicht richtig dunkel. Das lag an den links und rechts des Weges verlaufenden Rinnen mit ihren unablässig zirkulierenden Glutströmen, die den Gang in ein sanft pulsierendes Rot tauchten. Für an Dunkelheit gewöhnte Orkaugen reichte der matte Schein vollkommen aus, um alles scharf umrissen zu erkennen. Auch das übrige Höhlensystem wurde auf diese Weise durch das Blut der Erde beleuchtet.
Die von den Glutrinnen aufsteigende Hitze machte Orks nichts aus, außerdem blieb dadurch die Umgebung angenehm trocken. Feuchte Grotten mochten etwas für Gnome, Zwerge oder Trolle sein, so es denn solche hutzligen Gestalten wirklich gab, aber den Blutorks waren solche Verhältnisse ein Gräuel. Deshalb folgte auf der Hälfte der Rampe auch ein tiefer Felseinschnitt, der als
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