Blutorks 3 - Blutorks 3
ihm wie mit kleinen Nadelspitzen in die Augen.
Frierend hielt er einen Moment im Aufstieg inne und sah zurück in die Tiefe. Der dunkle Punkt, der sich dort wie ein böser Schatten in der Bergwand abzeichnete, klebte immer noch im gleichen Abstand unter ihm.
Es war wirklich zum Verrücktwerden. Egal wie schnell er auch rannte, wie gut er sich auch verbarg und seine Spuren verwischte – Gabor Elfenfresser ließ sich einfach nicht abschütteln.
Selbst dann nicht, als er in die eisigen Höhen des Frostwalls geflohen war.
Über ihm rückte das weiße Dach dieses Gebirgszugs immer näher. Gleißend hell lag es in der Sonne und reflektierte dabei so stark, dass er nicht allzu lange darauf starren konnte, weil ihm sonst die Augen schmerzten. Trotzdem war ihm dieser Anblick immer noch lieber als die trügerische Ruhe der Nacht, in der die riesigen Gletscher zu unsichtbaren Ungeheuern wurden, die mitten im Schlaf auf ihn herabzustürzen und ihn unter ihren Massen zu begraben drohten.
Bava hatte die Frostgrenze längst erreicht. An schattig gelegenen Stellen tauchten immer häufiger verharschte Schneenester auf, zu kompakten Klumpen überfrorene Flocken, die schon seit Ewigkeiten das Gestein bedeckten. Ab und an war zwar noch eine rot oder dunkelbraun schimmernde Moosflechte zu entdecken, ansonsten starrte ihm von allen Seiten blanker, von Rissen durchzogener Fels entgegen.
Im Winter gab es in dieser Gegend bereits eine durchgehende Schneedecke, doch die zunehmende Macht der Sommersonne hatte den Dauerfrost in die Höhe gedrängt. Der stete Wechsel von Hitze und Kälte prägte den hiesigen Gebirgsabschnitt. Überall an der Oberfläche war das Gestein aufgeplatzt und verwittert. Auf den zahlreichen Absätzen, die mal breiter und dann wieder schmaler werdend an der Steilwand verliefen, ragten bizarre Felsnadeln in die Höhe.
Bruchgestein, feiner Abraum, kaum größer als eine Handvoll Kiesel, knirschte unter Bavas Sohlen, als er sich über einen Sims entlangtastete, um eine geeignete Aufstiegsstelle zu erreichen. Die hatte er bereits aus der Tiefe ausgemacht. Waagerecht verlaufende Spalten in einer rauen, mit Dellen und Vorsprüngen überzogenen Wand boten seinen großen Händen ausreichend Halt.
Trügerischen Halt, wie er feststellen musste, als eine knotige, an ein Geschwür gemahnende Felsausbuchtung unter dem festen Griff seiner grünen Finger zu zerbröckeln begann. Je verzweifelter er sich festzukrallen versuchte, desto schlimmer wurde es, bis der steinerne Rest gänzlich aus der Wand brach.
Nur noch an seiner Linken hängend, die in einem engen Felsspalt klemmte, pendelte er einige Atemzüge lang über dem Abgrund. Wie leicht es doch gewesen wäre, einfach loszulassen und in den Tod zu stürzen. Wäre das nicht ein geradezu gnädiges Ende für einen wie ihn, nicht sogar ein weitaus besseres, als er eigentlich erwarten durfte?
Doch feiger Verräter oder nicht, er war immer noch ein Blutork, in dem das Herz eines Kriegers schlug, und so befahlen ihm seine Instinkte, sich nach vorn zu werfen und neuen Halt zu suchen.
Ja, sicher, noch vor wenigen Tagen hatte er mit Natterngift versetzten Wein trinken wollen, um seinem Leben ein Ende zu setzen, doch inzwischen wusste er, dass Vuran und das Blut der Erde eine schlimmere Strafe als Sühne für ihn vorgesehen hatten. Er war dazu verdammt, vor Gabor Elfenfressers Rache zu fliehen, und wenn es überhaupt noch eine Aussicht darauf gab, im Blut der Erde aufzugehen, dann durfte er sich dieser Strafe nicht entziehen.
Vermutlich war es sogar Vurans führende Hand, die ihm einen daumenbreiten Grat unter die rechte Stiefelspitze schob, sodass er sich endlich wieder an die Felswand pressen und kurz verschnaufen konnte. Gleichzeitig strich er mit der Rechten so lange umher, bis er eine weit über seinem Kopf liegende Zuspitzung ertastete.
Nachdem er sie ausreichend auf Festigkeit überprüft hatte, zog er sich an ihr empor und erreichte von dort aus die Kante der über ihm aufragenden Terrasse.
Einem schwächlichen Menschen hätten längst die Hände geblutet, doch Orkhaut war dick genug, um auch den schärfsten Graten zu widerstehen. Nur der Lappen, der die Linke umgab, nässte schon wieder ein wenig durch, dort, wo er den Stumpf des kleinen Fingers bedeckte, dem die oberen beiden Glieder fehlten.
Gabor Elfenfresser hatte sie ihm von der Hand getrennt, als Versprechen auf das, was ihm bevorstand. Ein langsamer Tod, Stück für Stück, Körperteil um Körperteil, bis nur
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