Blutportale
dauern.«
Will seufzte und trank einen Schluck Tee; er mochte die irische Hotel-Philosophie, zahlreiche Teebeutel und einen Wasserkocher kostenlos zur Verfügung zu stellen. »Es wäre schlecht, wenn die Dämonendiener oder der Maitre oder wer auch immer den Sir geschnappt hätten. Damit wären wir das Monokel los.«
»Darüber denken wir erst dann nach, wenn wir es eindeutig wissen«, entschied Saskia. »Bis dahin konzentrieren wir uns auf den Einbruch und die Harfensaiten, danach machen wir uns auf den Weg nach Syrien.«
»Geht das so einfach?« Justine lag auf dem Doppelbett und verspeiste Gingercookies. »Was ist mit einem Visum?«
»Notfalls reisen wir über ein anderes Land ein.« Will hatte sich schon erhoben. »Ich gehe in die Lobby und checke das schnell am Computer.« Er verließ den Raum, eine Hand in den Rücken gestützt.
»Vertraust du dem Professor immer noch?«, wandte sich Justine an Saskia.
»Auf jeden Fall. Jedenfalls bis ich etwas Gegenteiliges gehört habe.«
Die Französin hob ihre Hand; auf deren Rücken war eine dunkle Stelle zu sehen, so groß wie eine Zehn-Cent-Münze. »Das verdanke ich Bebuds Degen. Er war aus reinem Silber, und das macht mich schon sehr nachdenklich. Es ist das beste Mittel gegen Wandler.« »Du nimmst an, dass man ihn absichtlich geschickt hat, um dich zu töten?« Saskia verwarf den Gedanken. »Viele in der union führen sehr extravagante Waffen. Ich habe Griffe gesehen, die mit Diamanten geschmückt waren, und vergoldete Klingen. Ein massiv silberner Stockdegen ist sicher ungewöhnlich, fällt aber nicht aus dem Rahmen. Außerdem hätte Bebud dann wissen müssen, was du bist. Wie hätte das geschehen sollen? Du hast es dem Professor nicht gesagt. Und der Maitre hat dich nie gesehen.«
Justine kaute auf dem Keks herum. » C'est vrai. Ich war wohl etwas zu ...«
»... paranoid?« Saskia nickte. »Damit bist du schon lange nicht mehr allein.«
Sie musste an die Toten am Baikalsee denken, vor allen Dingen an den Mönch, den sie bewusst zurückgelassen hatte. »Alles verändert sich gerade.«
Justine angelte sich Wills Tasse; der Tee passte perfekt zu den Keksen. »Das scheint mir auch so. Es geht mich nichts an, aber deute ich es richtig, dass unser kleiner Finder-Inder in dich verliebt ist?«
»Ja.« Kaum hatte Saskia die Vermutung bestätigt, merkte sie, wie ihr warm wurde. Eine Reaktion, die sie weder erwartet hatte -noch akzeptieren wollte. »Leider ist es total... unpassend.«
»Unpassend, ja?« Justine lachte.
Saskia fühlte sich herausgefordert. »Ich kann nichts dafür. Und ich habe ihm auch schon gesagt, dass ich unter diesen Umständen nichts mit ihm anfangen werde.«
Justine zwinkerte. »Das klingt zwar vernünftig, aber so läuft das mit der Liebe nicht.« »Ich diskutiere nicht mit dir darüber.« Als Saskia spürte, dass ihre Narben zu ziehen begannen, fühlte sie sich merkwürdig erleichtert - daher rührte die Wärme, die sie kurz zuvor durchströmt hatte. Eine Erklärung, die ihr weit weniger Sorgen machte als eine andere.
Die Französin setzte zu einer Erwiderung an, da klopfte es. Sie stand auf und sah durch einen Spalt hinaus auf den Flur, dann ließ sie Will herein. »Und?«
»Sieht nicht gut aus. Ohne Visum geht nichts. Und das gibt es nur bei der syrischen Botschaft in Berlin oder dem syrischen Honorarkonsul in Hamburg. Ohne den Wisch müssen wir Syrien mit dem nächsten Flugzeug wieder verlassen. Vielleicht könnte der Professor uns weiterhelfen? Ich meine, wenn er Pässe fälschen lassen kann ...«
»Non.« Justine reichte ihm die fast leere Teetasse. »Ich habe eventuell noch Kontakte in der Türkei, die uns von dort aus rüberbringen können. Aber wie unsere Médiatrice gerade so schön gesagt hat: Eins nach dem anderen. Und das heißt: Erst einmal ist die Harfe dran. Vas-y? Wir brauchen noch ein paar Werkzeuge und das Reizgas, falls wir es mit Sicherheitsleuten zu tun bekommen. Wir können ja wirklich nicht alle Unbeteiligten umlegen, die uns im Weg stehen.« Saskia ließ den Blick über ihre Mitstreiter schweifen. »Haltet die Augen offen, ob dieser Smyle uns nicht möglicherweise verfolgt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, er hat versucht, meine Gedanken zu lesen.«
»Wenn er uns angreift, werde ich seine Gedanken auch lesen - aus seinem offenen Hirn«, versprach Justine mit einem wölfischen Grinsen.
Gegen ein Uhr nachts überquerten sie den Shannon mit einem gestohlenen Ruderboot. Sie setzten einen der
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