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Blutportale

Blutportale

Titel: Blutportale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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eine Erklärung: Konnte es sich bei Smyle um den Schutzgeist der Harfensaite handeln? Hatte er die Gestalt eines Mannes angenommen, weil es ihm Vergnügen bereitete, sich unter Menschen zu bewegen? Zumindest würde dies seine Anwesenheit hier erklären und Saskias Gefühl, dass er in der Lage gewesen war, ihre Gedanken zu lesen.
    Aber wer waren die Zuhörer seines Konzerts? Auch Geister? Wenn dem so sein sollte - dann schwebten Saskia, Justine und er gerade in tödlicher Gefahr.
    Um die aufkeimende Panik zu bezwingen, ließ Will sich auf die Melodie ein. Sie klang heiter, wie viele irische Tanzstücke, und ging in die Beine. Von der besonderen Wirkung des Instruments spürte er allerdings nichts. Er sah genauer hin, konzentrierte sich auf Smyles Finger. Tatsächlich ließen die Kuppen die schwarzen Saiten aus. Und mit einem Schaudern stellte Will fest, dass er sich plötzlich wünschte, der Mann würde sie zupfen und ihre gefährliche Macht beschwören.
    Er schlich sich in den Raum, kroch den Boden entlang, bis er neben Saskia hinter einer alten Truhe angelangt war, und berichtete ihr leise von seiner Vermutung. Justine war verschwunden, befand sich irgendwo in den Schatten und wartete, bis die Gelegenheit zum Diebstahl kam. Saskia schaute über die Deckung. Von hier aus hatten sie einen guten Blick auf Smyle, der seine Wächteruniform trug und mit geschlossenen Augen spielte. Die Zuschauer, Männer und Frauen im Alter zwischen zwanzig und sechzig, trugen einfache Straßenkleidung und folgten dem Lied mit erwartungsvollen Gesichtern.
    Plötzlich änderte sich die Tonfolge, das Stück wurde schwermütiger. Nun kamen auch die schwarzen Saiten ins Spiel.
    Der Gesichtsausdruck der Menschen veränderte sich, sie sahen entrückt und berauscht aus, als würden sie sich an den Tönen laben. Manche von ihnen seufzten, andere sanken in sich zusammen, während ihnen Tränen über die Wangen liefen.
    Will blieb von dem neuen Stück unbeeindruckt; was auch immer das Lied mit den Iren anstellte, ihn rührte es nicht einmal. Es hörte sich traurig an, sicher, aber nicht so ergreifend, dass er deswegen weinen müsste.
    Saskia hingegen schluckte; es war, als würde ein dunkler Kern in ihr von den Schwingungen erfasst und zum Aufkeimen gebracht. Wie ein dunkles Öl breitete sich die Melancholie über all ihrem Fühlen aus, sie zog alles, was sie tat und getan hatte, in Zweifel. Nichts ergab mehr Sinn für sie, und mit erschreckender Klarheit wusste sie, dass sie sterben wollte.
    Nein! Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein tönte das ferne Echo eines Schreis wider, ein letzter Rest ihres klaren Verstandes. Saskia wandte sich hilfesuchend zu Will um und öffnete den Mund.
    Unvermittelt hielten Smyles Hände inne, er hob die Lider und blickte zum Haupteingang. Saskias Schwermut verklang mit dem letzten Ton. Von jetzt auf gleich fühlte sie sich wie vor dem Beginn des Liedes. Die Harfe besaß also wirklich eine dunkle Macht über Gefühle! Sie zog leise ihr Schwert. Smyle hatte sie wohl bemerkt.
    Krachend wurde die Tür aufgestoßen, und zehn Vermummte sprangen mit schallgedämpften Pistolen im Anschlag in den Raum. Sie leuchteten mit Taschenlampen umher, vor allem in die Gesichter der Zuhörer, und zwei von ihnen schrien Anweisungen, dass sich keiner bewegen sollte.
    Will fluchte leise. »Was machen wir jetzt?«
    »Abwarten«, sagte Saskia und hoffte, dass Justine ebenfalls stillhielt. Der Schutzgeist hatte in der Vergangenheit bewiesen, dass er es mit einer Überzahl aufnehmen konnte. Mit viel Glück und dem Beistand von Wills indischen Göttern wären sie dieses Mal die lachenden Dritten. Sie beobachteten, dass die Gäste und Smyle ruhig an ihren Plätzen blieben. Weder schaute einer von ihnen ängstlich, noch gab es Anzeichen für eine Panik. Sie sahen eher ... verärgert aus. Eine Vermummte sprang aufs Podest zu Smyle; Will vermutete, dass sie die Anführerin der Truppe war. »Gut, dass Sie alle vernünftig geblieben sind«, rief sie auf Englisch. »Das Konzert kann gleich weitergehen, allerdings ohne die schwarzen Saiten der Harfe.« Sie richtete die Waffe auf Smyle. »Aus dem Weg.«
    Smyle legte die Hände gegen die Saiten, als könnte er sie damit beschützen ... oder müsste sie wie ein scheues Tier beruhigen. Er bewegte sich nicht von seinem Hocker. »Sie würden durch Ihren Raub ein jahrhundertealtes Instrument zerstören«, sagte er vorwurfsvoll. »Was wollen Sie mit den Saiten?«
    »Verschwinde«, herrschte sie ihn an und zog

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