Blutprinz (German Edition)
hatte es, um einen Mann wie André zu kämpfen? Einem Vampir! Sie hatte schon Mühe, seinen Worten Glauben zu schenken. War er tatsächlich ein Vampir? Ein Bluttrinker? Sie wusste kaum etwas über Vampire. Sie kannte einige Filme über Dracula und andere Hollywoodstreifen, aber damit endete ihr Wissen über die Wesen der Nacht auch schon. André schlief weder in einem Sarg, noch hatte er sich vor ihren Augen in eine Fledermaus verwandelt. Was natürlich nicht bedeutete, dass er dazu nicht in der Lage war, aber es bewies, dass ihr Wissen nur auf der Fantasie von Drehbuchautoren basierte.
Sie versuchte, die Fakten realistisch zu betrachten. Sie dachte an Andrés Küsse, seine Berührungen und die Leidenschaft, mit der er sie geliebt hatte. War es möglich, dass Vampire überall unter ihnen waren, ohne dass jemand etwas merkte? Sie erinnerte sich an Death’ Worte bei dem Überfall auf Andrés Penthaus. Blutsklavin hatte er sie genannt. Sie schloss daraus, dass auch Death und seine Schlägertruppe Vampire waren. Ihr Gehirn schien zu klein, um das alles zu erfassen, und sie wünschte, sie könnte mit jemandem darüber sprechen. Tina würde ihr allerhöchstens empfehlen, eine Irrenanstalt aufzusuchen. Natalie hätte vermutlich dasselbe getan, wäre Tina mit so einer Geschichte angekommen. Dabei fiel ihr ein, dass Tina tatsächlich einmal von einer New Yorker Undergroundparty erzählt hatte, bei der sie was mit einem Möchtegernvampir hatte. Vielleicht war der Kerl ja echt gewesen. Je mehr sie darüber nachdachte, umso zerstreuter wurde sie, und je öfter sie in ihren Gedanken das Wort Vampir aufblitzen ließ, desto mehr sträubte sich ihr Verstand dagegen.
Mittags legte der Katamaran in Wien an. Bei dem Gedanken, wieder auf den Assassinen zu treffen, zog sich ihr Magen zusammen. Das Handy hatte sie nicht dabei. Es lag in ihrer Wohnung. Tina hatte bestimmt eine Million Mal angerufen. Am besten war es, wenn sie zum Büro marschieren würde.
Dort angekommen nahm Tina sie mit sorgenvollem Blick in Empfang und schloss sie so kräftig in die Arme, als wollte sie die Luft aus ihr herauspressen.
„Wo zum Teufel warst du? Ich hab versucht, dich zu erreichen, war bei dir in der Wohnung und als ich die Verwüstung gesehen habe …“ Noch einmal drückte sie Natalie. „Ich hab die Polizei gerufen. Sie waren dort, haben alles untersucht.“ Sie löste ihre überschwängliche Umarmung, schob Natalie einen guten Meter von sich weg und musterte sie von Kopf bis Fuß. „Was ist passiert?“
„Jemand ist in meine Wohnung eingebrochen. Er war vermummt und ich konnte sein Gesicht nicht erkennen“, log Natalie, auch wenn sie Tina am liebsten die Wahrheit erzählt hätte.
„Hat er dir etwas angetan?“
Natalie schüttelte den Kopf. „Ich konnte ihm entkommen und bin durch die halbe Stadt geflohen.“ Ihr ganzer Körper begann plötzlich zu zittern, als die Erinnerungen an die psychischen Misshandlungen dieser Bestie an die Oberfläche drangen. Tina legte tröstend ihre Arme um sie.
„Ich habe ein paar deiner Sachen in meine Wohnung gebracht“, sagte sie. „Es ist besser, wenn du ein paar Tage bei mir wohnst.“
Den Rest des Tages verbrachte Natalie im Büro. Doch anstatt zu arbeiten, durchforstete sie das Internet auf der Suche nach Informationen über Vampire. Alleine das Wort Vampir ergab an die eine Million Treffer und bei Dracula waren es doppelt so viele. Sie las über Draculas Legende und über Elisabeth Bathory, die Blutgräfin, die laut der Legende im Blut von Hunderten Jungfrauen gebadet haben soll, um sich jung zu halten. Natalie fand Filmausschnitte von Nosferatu und unzählige Kurzgeschichten, Berichte und Verschwörungstheorien, die sie jedoch keinen Schritt voran brachten. Allerdings faszinierte Natalie die Tatsache, dass sich die Mythologie des Vampirs nicht nur auf ein Gebiet oder eine Region bezog, sondern in Form verschiedener Erscheinungen, Legenden und Bezeichnungen, über die ganze Welt verstreut war.
22.
Wien, 9. Juni 2007
I n den nächsten Tagen lebte Natalie Tinas Leben. Tagsüber arbeiteten sie an neuen Projekten. Nach der Arbeit ging es in den Selbstverteidigungskurs, den Natalie lange Zeit sträflich vernachlässigt hatte. Abends zog es sie beide ins Wiener Nachtleben. Die wenigen Stunden, die sie allein in Tinas Gästezimmer verbrachte, nutzte sie, um jeden Tag etwas mehr über Vampire herauszufinden. Auch wenn es nicht viel war, das wirklich nützlich erschien, fand sie dennoch
Weitere Kostenlose Bücher