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Blutrausch

Blutrausch

Titel: Blutrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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nicht anstarren? Schließlich sitzen wir im selben Boot. Will heißen, in einem Zug Richtung Hood.
     
    Scheißkoalition. Hat doch tatsächlich einen Renfield in dem Zug eingesetzt, der einen auf obdachlos macht. Ich versuche, mich zu erinnern, ob er an der 14th eingestiegen ist oder bereits im Zug war. Das sähe der Koalition ähnlich, diesen Idioten den ganzen Tag hin und her fahren zu lassen, um den Köder für Leute wie mich zu spielen. Ich frage mich, ob er sich in den Finger gestochen hat, weil er mich bemerkt hat. Ist Predo wirklich so versessen drauf, mich festzunageln? Hat er Fotos von mir an seine Renfields verteilt? Das muss nicht unbedingt sein. Vielleicht ist es auch gängige Praxis, vor dem Columbus Circle etwas Blut zu vergießen, um zu schauen, ob jemand darauf anspringt. Wenn ja, dann muss der Spitzel nur so lange die Türen blockieren, bis ein Schläger der Koalition, der am Bahnsteig patrouilliert, zusteigt. Tja, egal, ob er mich von Anfang an bemerkt hat oder ich mich durch mein Interesse an frischem Blut verraten habe, es war ein ziemlich guter Renfield. Wenn er mir noch mal über den Weg läuft, werde ich mal ausprobieren, wie sein Blut schmeckt. Der Kerl, der mir gerade so unverhohlen ins Gesicht starrt, spielt dagegen in einer ganz anderen Liga.
    Ein Vollstrecker. Koalitions-Gestapo. Er ist zweifellos gut genährt, bewaffnet und mit allen Wassern gewaschen. Er steht mitten im Wagen und wirft mir von Zeit zu Zeit einen Blick zu, damit ich nichts Unüberlegtes tue. Ich lehne mit dem Rücken an der hinteren Wand des letzten Waggons. Eventuell könnte ich die Glasscheibe des Notausstiegs zerschmettern und auf das Gleisbett springen, in der Hoffnung, mir dabei nicht den Hals zu brechen oder vor dem entgegenkommenden Zug zu landen. Doch das hebe ich mir als letzten Ausweg auf.
    Der Zug ist noch immer ziemlich voll. Endhaltestelle ist an der 207th. Also habe ich die Wahl, entweder mitten im Hood auszusteigen und mit dem Vollstrecker auf den Fersen loszuspazieren, oder in eine andere Linie umzusteigen und zurückzufahren. Was natürlich bedeuten würde, dass ich wieder durchs Koalitionsgebiet muss. Wer weiß, ob der Kerl Verstärkung dabei hat. Aber bis zur 59th wird er sicher irgendjemanden organisiert haben. Und dann werden sie mich aus dem Zug zerren, bevor wir die 14th erreicht haben. Oder er wartet einfach ab, wohin ich fahre. Ins Niemandsland? Nach Lower Manhattan? Ich will gar nicht an Lower Manhattan und die ganzen kleinen, durchgeknallten Clans denken, die dort hausen. Soll ich den Fluss überqueren und mich in die Büsche schlagen? Wer zur Hölle weiß schon, was mich drüben auf der anderen Seite erwartet. Alles ausgesprochen reizvolle Alternativen.
    Ich mustere ihn genauer. Er sieht aus wie Ende zwanzig, aber das muss nichts heißen. Er trägt einen dieser gut geschnittenen Anzüge, auf die Predo anscheinend besteht. Sein Haar ist zurückgekämmt. Er ist zwar nicht so groß wie ich, aber seine Muskeln zeichnen sich deutlich unter dem Jackett ab.
    Der Expresszug hält nicht an den kleineren Stationen, sondern rast hindurch. Der Fahrer drückt ordentlich auf die Tube, um die Zeit, die er durch den Renfield verloren hat, wieder gutzumachen. Ein Schild mit der Aufschrift 110th zischt vorbei. Jetzt haben wir die Grenze überquert und sind im Hood.
    Der Schläger starrt mir jetzt in die Augen und versucht, mir mit seiner Voodoo-Masche Angst zu machen. Großer böser Untoter. Ich starre erbarmungslos zurück. Fetter Scheißgorilla. Überfressen und verwöhnt. Kein Wunder, die Koalition bezahlt seine Rechnungen, geht für ihn auf die Jagd. Er sitzt den ganzen Tag auf seinem fetten Arsch und wartet, dass Predo ihm Befehle erteilt. Jawohl, Mr. Predo, sofort, Mr. Predo. Ich kenne diese Arschlöcher. Ich weiß, was sie drauf haben. Scheiß auf den Kerl. Wenn er Augen-Kung-Fu mit mir spielen will, um mir eine Gänsehaut einzujagen, dann spielen wir eben. Los, spielen wir.
    Der Zug hält an der 125th. Er starrt mich weiterhin an und versucht, mir mitzuteilen, wie tief ich in der Scheiße sitze, wenn er mich erst mal in die Finger bekommt. Träum weiter. Ich nicke ihm zu, verlasse den Zug und betrete die Station im Herzen des Hoods. Genau unter der Kreuzung Martin Luther King und Frederick Douglas Boulevard. Er zögert einen Moment, dann springt er durch die Türen, bevor sie sich schließen. Damit hast du wohl nicht gerechnet, Arschloch.
     
    – Okay, Sportsfreund.
    Ich steige langsam die Treppe

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