Blutrausch
plötzlich die vielen Frischlinge? Ich frage mich, ob die Vandewater die Einzige ist, die nach bestimmten Leuten Ausschau hält. Nehmen wir den Haufen junger Rhinos im Hood zum Beispiel. Vielleicht hat sich nicht nur Tom seine eigenen Frischlinge heranzüchtet. Vielleicht ist Vandewater nicht die Einzige, die Killermaschinen produziert.
Irgendwas steckt hinter dem Ganzen. Hinter Daniels pseudospirituellem Psychogeschwafel. Hinter dem Vyrus und seiner Einzigartigkeit. Hinter... Ach, Scheiße. Vermutlich bin ich nicht schlau genug, um das ganze Puzzle jemals alleine zusammenzusetzen. Aber eines ist für mich klar: Dass Terrys Teil des Scheißpuzzles dringend mal abgestaubt gehört.
Terry ist nicht blöd. Er kennt mich ziemlich gut. Scheiße, er kennt mich um Längen besser als ich ihn. Und er hat recht. Ich bin neugierig.
Manche Sachen lassen mir keine Ruhe. Das Foto, das ich bei der alten Frau gesehen habe, zum Beispiel. Das Bild mit ihr und Predo und Terry. Wie hat es der Graf ausgedrückt? Sie züchtet Killer.
Der Sache werde ich nachgehen. Und ich werde keine Ruhe geben, bis ich weiß, was da gespielt wird.
Morgen.
Jetzt wartet zu Hause erst mal ein Bier auf mich. Und jede Menge Zigaretten.
Hurley und Tom haben glatt die Tür offen stehen lassen, als sie meine Bude nach dem Anathema durchwühlten. Ich schiebe sie mit der Zehenspitze auf, trete sie hinter mir wieder zu und schalte die Alarmanlage ein. Immerhin haben sie das Apartment im ersten Stock nicht völlig verwüstet. Schließlich wissen sie, wo ich wirklich wohne. Die richtige Sauerei wartet wohl unten auf mich.
Der Gestank nach Hurley, Tom und seinen Partisanen hängt noch immer im Raum. Doch er kann einen anderen Geruch nicht überdecken, der definitiv Ärger bedeutet. Und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass dieser Duft mich hier ständig umgibt. In der Luft. In den Bettlaken.
Aber er wird noch intensiver, wenn sie persönlich anwesend ist.
Ich stehe am Fuße der Treppe und sehe sie vor dem offenen Kleiderschrank und dem Minikühlschrank mit dem abgerissenen Vorhängeschloss sitzen. Sie starrt auf die Mülltüte in ihrem Schoß. Um sie herum herrscht heilloses Chaos.
Sie blickt auf.
– Du hast meine Lesung verpasst, Joe.
Mein Wecker liegt auf dem Boden neben meinen Füßen. Es ist kurz nach Mitternacht.
– Ich weiß.
– Das war mir wirklich wichtig.
– Ich weiß.
Sie späht in die Mülltüte. Sieht auf.
– Was ist das, Joe?
– Leg das lieber hin, Baby.
– Was ist das, Joe?
Ich verstärke meinen Griff um die mit Blut gefüllte Kühltasche.
– Das ist mein Job, Baby. Damit verdiene ich mein Geld.
Sie öffnet den Mund. Schließt ihn wieder. Beißt sich auf die Lippen.
– Erzähl’s mir.
Sie streckt den Arm mit der Mülltüte aus.
– Erzähl mir von deinem Job. Jetzt gleich.
Ich denke an meinen neuen Job. Überlege, wie ich es ihr am besten erklären kann. Erwäge, ihr die Wahrheit zu sagen. Denke an das Risiko, dass sie mich verlässt. Die Entscheidung kann sie letztendlich nur alleine treffen. Doch dazu müsste sie die Wahrheit kennen.
Ich hole tief Luft.
– Ich bin ein Kurier. Für Organhändler. Ich fahre Körperteile durch die Gegend.
Die grellrote Tüte baumelt zwischen ihren Fingern.
Ich gehe einen Schritt auf sie zu und stelle die Kühlbox auf den Boden.
– Manche Leute brauchen Geld. Sie brauchen es wirklich dringend.
Ich stelle die Schuhschachtel auf die Kühlbox.
– So dringend, dass sie Teile ihres Körpers verkaufen.
Ich nehme ihr den Müllsack aus der Hand.
– Nieren.
Ich gehe vor dem Kleiderschrank in die Hocke und stopfe den Sack in den Kühlschrank.
– Manchmal auch Augen.
Mit dem Rücken zu ihr untersuche ich das Schloss, das Hurley abgerissen hat.
– Stücke von Därmen.
Ich werde ein neues Schloss brauchen. Damit meine Geheimnisse geheim bleiben.
– Eine Arterie.
Ich werfe ihr über die Schulter einen Blick zu.
– Haut.
Sie verzieht keine Miene, aber Tränen fließen ihre Wangen herab.
Ich setze mich hin, Rücken zur Wand, in angemessener Entfernung.
– Das Zeug muss schnell transportiert werden. Dafür bin ich da.
Ich nehme eine Zigarette heraus.
– Aber manchmal gibt’s Probleme. Die Leute wollen nicht bezahlen.
Neben mir liegt ein Streichholzbriefchen auf dem Boden. Ich hebe es auf.
– Dann warten schon andere Käufer. Und während die Verhandlungen laufen, muss das Material irgendwo zwischengelagert werden. Auch dafür bin ich zuständig.
Ich zünde
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