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Blutrausch

Blutrausch

Titel: Blutrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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mich auf diese Gerüche konzentriere und es dem Reptilienteil meines Gehirns erlaube, sie alle zu sortieren und zu identifizieren, würde ich am liebsten kotzen. Aber ich reiße mich zusammen und schnuppere weiter.
    Jemand hatte eine fade mexikanische Kuttelsuppe zum Frühstück, die sich jetzt langsam mit einem Rülpser den Weg aus dem Magen bahnt. Der Urin in der Windel eines älteren Mitbürgers. Der Schimmel auf den abgegriffenen Taschenbüchern in dem Bündel eines Obdachlosen. Der Schweiß von Jahren, der sich in der Krempe einer Baseballmütze festgesetzt hat, deutlich zu riechen, als der Träger den Schirm weiter zur Seite rückt. Der Geruch nach abgebrannten Feuerwerkskörpern an meiner Kanone, der schale Zigarettenrauch, der mich immer umgibt, der Bourbon von letzter Nacht in meiner Kehle und die Socken, die ich heute aus Bequemlichkeitsgründen nicht gewechselt habe.
    Grauenhaft. Aber in diesem ganzen Durcheinander wittere ich nirgendwo das Vyrus. Außer in meinem eigenen Blut. Ich atme langsam durch und versuche, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Ich hebe den Blick und beobachte scheinbar unbeteiligt die Gesichter um mich herum. Keine Spur des Vyrus, aber das heißt noch lange nicht, dass ich in Sicherheit bin. Der Blutende könnte genauso gut ein gerissener Renfield sein, der von der Koalition dazu ausgebildet wurde, nach Verdächtigen Ausschau zu halten. Oder noch schlimmer, ein Van Helsing. Sollte es ein Van Helsing sein, der genug Ahnung hat, um den Trick mit dem frischen Blut abzuziehen, könnte er mir wirklich scheißgefährlich werden. Ein Van Helsing, der sich auskennt? Heilige Scheiße. Der kümmert sich einen Dreck um Territorien, Verträge und Abmachungen. Ein Van Helsing klebt unbeeindruckt weiter an meinen Fersen bis in den Hood hinein. Und wenn ich dann aussteige und den beschissenen Van Helsing in meinem Kielwasser in den Hood schleife? Darauf steht die Höchststrafe, ein krebsförderndes Sonnenbad.
    Der Zug hält an der 59th. Columbus Circle.
     
    Die Pendler aus der Upper West Side beeilen sich, aus dem Zug und nach Hause zu ihren Gatten und Gattinnen zu kommen, die ebenfalls gerade aus der Arbeit zurück sind. Dann können sie ihre Prachtbabys küssen, bevor sie von dem jamaikanischen Kindermädchen ins Bett gesteckt werden, und zum Essen ausgehen und sich dabei gegenseitig anschweigen. Die Pendler werden von den aus der Karibik stammenden Arbeitern ersetzt, die den ganzen Tag Häuser in Upper Manhattan geputzt, Hunde ausgeführt und bei Balducci’s gearbeitet haben und es jetzt ihrerseits kaum erwarten können, die eigenen Kinder kaputtzumachen und ihre Partner anzuschweigen.
    Ich beobachte sie alle, ohne besonders vorsichtig zu sein. Ich beäuge jeden, der im Zug sitzt, immer auf der Suche nach etwas, das faul ist.
    Die prall gefüllten Taschen eines Obdachlosen blockieren die Türen. Die Stimme des U-Bahn-Fahrers ertönt durch das Rauschen des Lautsprechers.
    – NICHT DIE TÜREN IM HINTEREN TEIL DES ZUGS BLOCKIEREN!
    Die Türen öffnen sich wieder, aber anstatt dass der Obdachlose hindurchgeht, fummelt er an seinen Taschen herum, die prompt erneut die Türen blockieren.
    – NICHT DIE TÜREN BLOCKIEREN DA HINTEN!
    Sie öffnen sich wieder, und ein paar Leute nutzen die Gelegenheit und schieben sich am Obdachlosen vorbei, der ein weiteres Mal stecken bliebt.
    – WEG VON DER TÜR DA HINTEN! SIE HALTEN DEN VERKEHR AUF! WIR FAHREN ERST LOS, WENN ALLE TÜREN GESCHLOSSEN SIND!
    Ein junger Mann steht auf, um dem Obdachlosen mit seinem Gepäck zu helfen. Der Obdachlose weicht vor ihm zurück, flucht, und die Türen versuchen erneut vergeblich, sich zu schließen.
    – NICHT DIE TÜR BLOCKIEREN! NICHT DIE TÜR BLOCKIEREN! NICHT DIE TÜR BLOCKIEREN!
    Der Jugendliche hebt resignierend die Arme und will sich setzen, aber in der Zwischenzeit hat sich schon jemand anderes seinen Platz geschnappt. Die Türen öffnen sich erneut. Der Obdachlose schultert seine Taschen und lässt einen Geschäftsmann in den Waggon. Dann gibt er endlich die Türen frei und steigt aus. Gerade, als sie sich schließen und wir abfahrtbereit sind, bemerke ich einen hellroten Fleck auf der Seite einer seiner Taschen. Blut aus dem Finger, in den er sich gestochen hat. Als der Zug losfährt, nehme ich einen neuen Geruch wahr, etwas, das genau riecht wie ich, und bemerke den Blick des Geschäftsmanns, den der Obdachlose so bereitwillig ins Abteil gelassen hat. Er starrt mich unverhohlen an. Warum sollten wir uns auch

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