Blutrose
Hilfe gekommen war.
»Danke«, formte sie lautlos mit dem Mund und hob prostend ihr Glas.
»Halt du dich da raus, Gretchen«, sagte der Mann.
Gretchen ließ sich nicht zu einer Antwort herab, sondern konzentrierte sich stattdessen auf den Mann an ihrer Seite. Clare erkannte ihn aus dem Blauen Engel wieder: der Mann,
der Gretchen aus dem eisigen Atlantik gezogen hatte. Anscheinend forderte er immer noch ihre Schulden bei ihm ein. Gretchen schien ihn eindeutig zu vergöttern.
»Entschuldige die Verspätung.« Riedwaan rutschte in die Sitzbank gegenüber und lenkte Clare ab.
»Kein Problem«, sagte sie. »Du siehst sauberer und ruhiger aus.«
»Möchtest du was zu trinken?«, fragte er. »Ich brauche jetzt einen Doppelten. Das war keine Pressekonferenz, das war eine Hinrichtung.«
»Ich möchte nichts.« Sie tippte an ihr volles Weinglas und ließ den Blick kurz durch die Bar wandern. Gretchen hatte sich in Luft aufgelöst, genau wie der Mann an ihrer Seite.
Riedwaan kam mit seinem Whisky und einem frischen Päckchen Zigaretten zurück. »Ich muss was essen«, sagte er und nahm der üppigen Bedienung die Speisekarte ab. »Ich bin halb verhungert«, stellte er fest. »Für mich Steak mit Pommes frites.«
»Steak? Hier am Meer? Nehmen Sie den Fisch.« Widerspruch war zwecklos.
»Was hältst du von Spyt?«, fragte Clare, als die Bedienung ihre Bestellungen aufgenommen hatte.
Riedwaan bestrich ein Brot mit Butter und biss ab. »Ich glaube nicht, dass er es war. Aber die hiesigen Politiker wollen die Topnaars loswerden. Diese Geschichte bietet einen guten Vorwand, die strittigen Landfragen nach Belieben zu lösen. Das muss die Nampol allerdings selbst klären. Wir können nur hoffen, dass sie es schaffen, bevor noch jemand stirbt.«
»Ich habe das Gefühl, dass es meine Schuld ist, wenn Spyt etwas zustößt. Mir gefällt die Vorstellung gar nicht, dass van Wyk und seine Spießgesellen ihn jagen wie einen Hund.«
»Ich glaube nicht, dass sie ihn so schnell fangen werden«, meinte Riedwaan. »Was ist übrigens mit Tertius Myburgh?« Er klopfte eine Zigarette aus dem Päckchen.
»Ich warte immer noch auf seine Pollenanalyse«, sagte Clare. »Ich hätte zu gern auch eine. Nach diesem Nachmittag brauche ich das.«
»Klar doch.« Riedwaan zündete eine Zigarette für sie an und steckte sie zwischen Clares Lippen.
»Rauchen ist wie Sex«, meinte Clare und inhalierte tief. »Abends kommt es dir vor wie eine Superidee. Aber wenn du morgens aufwachst, ist es längst nicht mehr so toll.«
»Dann gib sie mir zurück«, sagte Riedwaan.
»Nein, ich will rauchen«, wehrte sie ab. »Nur damit ich wieder weiß, was für eine blöde Idee es ist.«
»Das Rauchen oder der Sex?«, fragte Riedwaan.
»Das habe ich noch nicht entschieden.« Clare spürte die wachsende Anspannung in ihrem Bauch. »Ich komme mir so blöd vor, mich so reinlegen zu lassen. Van Wyk und Goagab hatten mich auf dieser Pressekonferenz ausgeschaltet. Dieser ganze Quatsch von wegen Kain und Abel, von Nomaden als Vagabunden. Nichts als Vorwände, um Menschen zu drangsalieren, deren Land man haben möchte.« Clare nahm einen tiefen Zug. »Ja, es war meine Idee. Ja, ich bin rausgefahren. Ja, es gibt Hinweise darauf, dass die Leichen zu einem gewissen Zeitpunkt in Spyts Höhle lagen. Und trotzdem habe ich wie eine Idiotin immer wieder erklärt, dass er sie nicht getötet hat.« Clare drückte die halb gerauchte Zigarette aus, als die Kellnerin das Essen brachte. »Während Goagab und seine Häscher in ihren Allradfahrzeugen die Wüste plattwalzen, sitzt der Mörder seelenruhig beim Abendessen und plant Nummer sechs.«
»Heute Abend können wir sowieso nichts mehr unternehmen«, merkte Riedwaan an.
»Und was sollen wir morgen unternehmen können?«, fuhr Clare ihn an. »Van Wyk hat Tamar mit einem bürokratischen Trick aus dem Weg geräumt, und wir beide sind offiziell nicht mehr an dem Fall beteiligt.«
»Nicht ganz«, schränkte Riedwaan ein. »Aber das hat Zeit bis morgen.« Er legte seine Hand auf ihre. »Im Moment ist der Mond praktisch voll. Ich bin hier, du bist hier, warum sollten wir nicht das Gesprächsthema wechseln?«
»Okay«, sagte Clare. Sie zog die Hand unter seiner weg und nestelte an ihrem Tischset herum. »Schlag eins vor.«
»Vielleicht Rauchen«, sagte Riedwaan.
Clare lachte nicht.
»Ich? Du?«
»Ich und du?« Clare spielte mit dem Gedanken, ihn nach Yasmin zu fragen oder ihm zu erklären, wie leid es ihr tat, dass sie ihm nicht
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