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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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neben sie. Die Matratze sackte ein und drückte den warmen Leib des Kindes gegen ihren.
    »Wo ist sie, Oscar?«
    Oscars Hand in ihrer fühlte sich klamm ab, als er sie vom Bett hochzerrte und sie ans andere Ende des Zimmers zog. Dort hob er eine lose Teppichfliese an und enthüllte eine flache Mulde im Beton.
    »Was ist das?«

    Oscar holte einen grellen gelb-roten Kodak-Umschlag heraus und entnahm ihm mehrere zusammengefaltete Zeichnungen, kindliche Darstellungen von Walvis Bay, der Wüste und von Bäumen auf orangerotem Sand.
    »Hast du die gemacht?«
    Oscar nickte wieder und deutete auf die Ecke, in die er seinen Namen geschrieben hatte. Ein von einem M zweigeteiltes O in einem Herzen.
    »Die sind gut.«
    Clare holte die Fotos heraus. Auf den meisten davon war Mara zu sehen. Mit ihrer Mutter in London, während sie triumphierend und nervös in Heathrow stand. An einem Straßenschild am Wendekreis des Steinbocks lehnend und mit ausgebreiteten Armen die gesichtslose Ebene hinter ihr teilend. Umgeben von grinsenden Kindern in einer Schule. Beim Zelten in der Namib. Zusammen mit ihrer Fußballern, die einen Cup hochhielten und strahlten wie die Könige.
    Immer aufgeregter zupfte Oscar an Clares Arm. »Was ist denn?«, fragte sie.
    Er deutete wieder auf die Bilder.
    »Bist du traurig, weil sie die Zeichnung hiergelassen hat, die du ihr geschenkt hast?«
    Oscar neigte den Kopf. Seine Miene war nicht zu deuten.
    »War sie so in Eile, dass sie …«
    Oscar schüttelte den Kopf, bevor sie den Satz auch nur halb ausgesprochen hatte.
    »Du glaubst nicht, dass sie ein Geschenk zurückgelassen hätte?«
    Oscar nickte energisch. Er drehte sich zu dem Fenster um, aus dem man auf den betonierten Hinterhof des Hauses sah, und hob den Zeigefinger, als wolle er in den Himmel deuten. Clare runzelte die Stirn und mühte sich ab, etwas durch den Dreck und kondensierten Dampf auf der Scheibe zu erkennen. Oscars Finger berührte das Glas. Er deutete nirgendwohin;
er zeichnete und zog ein vertrautes Muster über das beschlagene Glas: das durchbohrte Herz an Clares Schlafzimmerfenster, das sie so beunruhigt hatte.
    »Das warst du«, sagte sie. »Du hast mich beobachtet.«
    Oscars Nicken war kaum wahrzunehmen.
    »Du hast nach mir gesehen. Hast du auch nach Mara gesehen?«
    Das Kind nickte, und Tränen traten in seine Augen. Clares Herz flog dem zerbrechlichen Jungen zu. Clare wusste nur wenig von Mara, dennoch war sie überzeugt, dass das Mädchen den schüchternen Liebesbeweis dieses Kindes keinesfalls zurückgewiesen hätte.
    »Und Mara würde dein Geschenk nicht hierlassen, weil sie dich lieb hatte«, vermutete sie.
    Oscar nickte wieder.
    »Was ist mit ihr passiert, Oscar?«
    Er schüttelte heftig den Kopf und hielt abrupt inne, den Blick auf einen Punkt hinter Clares Schulter gerichtet. Sie drehte sich um und sah Gretchen im Türrahmen lehnen. Clare fragte sich, wie lange sie dort schon gestanden hatte.
    »Dummer Junge.« Gretchen lachte tief und kehlig. »Warum sollte sie deine dummen Bilder mitnehmen?«
    »Wann haben Sie Mara zum letzten Mal gesehen?«, fragte Clare Gretchen.
    »Sonntagnacht«, antwortete Gretchen nach kurzem Nachdenken. »Sie war im Blauen Engel. Ich musste arbeiten.«
    »Mit wem war sie da?«
    »Juan Carlos.« Gretchens Antwort kam sofort. »Ihrem Freund. Ihn hat sie geliebt, Oscar, nicht dich.«
    »Wissen Sie, um welche Uhrzeit sie von dort wegging?«, fragte Clare. Sie spürte, wie Oscar zitterte.
    »Ich bin gleich nach meiner Show gegangen«, antwortete Gretchen. »Vielleicht um zwei? Als ich heimkam, war alles dunkel. Ich schaute eine Weile fern, dann ging ich ins Bett. Sie ist
bestimmt schon losgefahren, als ich noch schlief. Ihr Flug ging um neun Uhr dreißig. Nachdem es ein internationaler Flug war, hätte sie um sieben Uhr dreißig einchecken müssen.«
    »Sie haben kein Taxi gehört? Oder einen Wagen?« Clare legte die Hand auf Oscars Schulter.
    »Nein«, antwortete Gretchen knapp. »Ich habe einen tiefen Schlaf. Können wir Ihnen sonst noch helfen, Dr. Hart?«
    »Nein«, antwortete Clare. »Im Moment nicht.«
    Gretchen lehnte in der Tür, bis Clare sich erhob, dann drehte sie sich um und schritt die Treppe hinauf, den Bademantel wie eine Schleppe über die Stufen ziehend. Auf dem Rückweg in die Küche steckte Oscar den Umschlag in Clares Jackentasche. Er nestelte an seiner Angeltasche und summte vor sich hin, um die Leere, die sich um ihn herum ausbreitete, auszufüllen, dann holte er seine Angelrute

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