Blutrose
Nacht bei ihr verbracht hatte, war er in die Rolle eines Lebensgefährten geschlüpft wie in eine zweite Haut. Für Clare war das nicht so leicht gewesen. Doppelt so viel einzukaufen wie früher erschien ihr einfacher, als über Grenzen und Freiräume zu sprechen und über ihr heimliches Vergnügen, morgens im Arm gehalten zu werden, doch Phiris Anruf berechtigte zu einigen Fragen.
Riedwaan ging beim vierten Läuten an den Apparat.
»Eigentlich bin ich auf dem Weg in den Urlaub«, sagte Clare. »Möchtest du mir vielleicht erzählen, was da läuft?«
»Ich komme auch zu der Besprechung. Wir treffen uns vor der Klapse.«
Um fünf vor zwölf hielt Riedwaan vor dem neu errichteten Gebäude der Abteilung für Forensik. Es war vom Tag der Grundsteinlegung an »die Klapse« genannt worden, und der Name war, zu Phiris großem Verdruss, geblieben.
Clare rümpfte die Nase. »Du stinkst.«
Riedwaan zertrat die Zigarette unter seinem Absatz. »Eine nette Begrüßung für jemanden, der dir gerade einen Job verschafft hat.« Er schob die Hand unter ihr dickes Haar. Clare bog den Hals zurück. »Stellst du immer gleich die Stacheln auf?«
»Nur wenn mir etwas spanisch vorkommt«, lachte Clare. »Eklär mir das. Phiri ist jetzt mein neuer bester Freund?«
»Sagen wir, er sieht dich als Rettung aus einer politischen Zwickmühle.« Riedwaan folgte ihr die Marmorstufen vor dem Gebäude hinauf.
»Seit wann bin ich die Lösung für die politischen Probleme anderer Leute? Oder vielleicht auch für deine?«
»Captain Tamar Damases«, sagte Riedwaan nur.
»Die heute Morgen angerufen hat?«
»Genau die.«
»Ich traue dir nicht, Riedwaan. Da läuft was, das du mir nicht verraten willst.«
»Sie hat angerufen. Aus heiterem Himmel. Und sie wollte eigentlich dich sprechen, nicht mich.« Bevor Clare ihn weiter ins Verhör nehmen konnte, klopfte Riedwaan an Phiris Tür.
Der Senior Superintendent wirkte trotz seiner Zivilkleidung wie ein Offizier. Phiri war dünn, fast hager und bewegte sich mit der Grazie des Hochleistungssportlers, der er in seiner Jugend gewesen war, als er um jeden Preis dem Diktat der bitteren Armut entkommen wollte, das ihm seine uneheliche Abstammung auferlegt hatte.
»Danke, dass Sie gekommen sind, Dr. Hart. Faizal. Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
Clare lehnte ab. Phiris Kaffee war berüchtigt, weil er extrem stark war und Phiri ihn ausschließlich so servierte, wie er ihn selbst trank – mit drei Stück Zucker und Pulvermilch.
»Sie nehmen einen, Faizal.« Das war keine Frage. Riedwaan hatte annähernd zwanzig Jahre im Polizeidienst gebraucht, um zu lernen, welche Schlachten sich zu schlagen lohnten. Diese gehörte nicht dazu, darum nahm er die Tasse ohne Murren entgegen.
Phiri öffnete den vor ihm liegenden braunen Umschlag. »Ich habe eine ungewöhnliche Bitte an Sie, Dr. Hart«, sagte er und faltete die Finger zu einem Dach über einem Blatt voller graziler Notizen in der akkuraten Handschrift eines Menschen, der erst mit zwölf Jahren Schreiben gelernt hat.
»Sie wissen von dem Abkommen über grenzübergreifende Polizeiarbeit, das die südafrikanische Regierung mit einigen unserer Nachbarländer geschlossen hat?«
»Ja«, sagte Clare. »Es wurde im April unterzeichnet, wenn ich mich recht erinnere.«
»Korrekt«, sagte Phiri. »Nach äußerst komplizierten Verhandlungen, wie Sie sich vorstellen können. Sehr oft wird das, was Südafrika seinen Nachbarn anbietet, eher als Einmischung oder Bevormundung angesehen denn als Kooperation.« Phiri schien diese Vorstellung aufrichtig zu schmerzen.
»In dem Abkommen geht es vor allem um Terrorismus, Massenvernichtungswaffen und Autoentführungssyndikate, nicht wahr?«, fragte Clare.
»Und um die zunehmenden bewaffneten Banden. Wir wissen, dass immer mehr Soldaten aus unseren – wie soll ich es ausdrücken – weniger wohlhabenden Nachbarländern gegen Bezahlung bei Überfällen auf Geldtransporte oder bewaffneten Banküberfällen in Südafrika einspringen. Darum leistet die südafrikanische Polizei den aufstrebenden Polizeikräften in unseren Nachbarländern Expertenhilfe.«
Clare sah von Phiri auf Riedwaan. Riedwaan hatte sich gerade zu seinem ersten Schluck Kaffee durchgerungen und sah gepeinigt drein. Er würde ihr nicht helfen.
»Das ist nicht mein Feld«, sagte sie. »Ich bin auf Kopfgeschichten spezialisiert: Verbrechen mit psychologisch motiviertem Hintergrund, besonders Sexualmorde, Rechtspsychologie.«
»Ich weiß.« Dass er
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