Blutrose
Phiri sehen. Er wusste, wie er sie ködern konnte, und sie fragte sich, was er dabei Riedwaan zu verdanken hatte. »Schon«, gestand sie, obwohl es ihr missfiel, dass die beiden über sie geredet hatten. »Aber ich brauche weitere Einzelheiten.«
»Faizal kennt alle Details. Er wird Sie briefen«, sagte Phiri schon fast abschließend. »Die Aufnahmen vom Fundort liegen vor. Noch keine Autopsie. Die schieben sie auf, bis Sie oben sind. Ein paar Zeugenbefragungen vorab. Sie ist klug, diese Damases. Organisiert.« Er nahm Riedwaans leeren Kaffeebecher und stellte ihn auf das Tablett auf der Theke hinter ihm. Dann klappte er die Akte auf seinem Schreibtisch zu und stand auf. Die Besprechung war zu Ende.
Clare stand ebenfalls auf. »Danke, Superintendent Phiri.«
»Ich habe Sie bei Ihrem letzten Fall beobachtet, Dr. Hart. Sie waren sehr… effizient. Lassen Sie mich wissen, wie Sie sich entschieden haben und was Sie brauchen. Sie werden unter Faizal arbeiten.« Er rückte die korrekt ausgerichteten Ordner auf seinem Schreibtisch gerade. »Keine Position, die ich ausgewählt hätte. Aber die Geschmäcker sind verschieden, nehme ich an.«
Es gab keine Geheimnisse im Polizeiapparat, dachte Clare. Alle wussten, dass Phiri trotz seiner fünfzig Jahre immer noch bei seiner Mutter wohnte und sie ihm täglich das Mittagessen machte. Es gab also keinen Grund, warum nicht bekannt sein sollte, dass Riedwaan bei ihr wohnte, obwohl es ihr aufstieß, dass ihre schwer erarbeitete Intimsphäre – Geheimniskrämerei, wie ihre Schwestern es nannten – durchlöchert worden war.
Sie folgte Riedwaan in den Raum, den er als sein Büro bezeichnete. Eher eine Rumpelkammer, die seine Kollegen mieden wie eine häusliche Auseinandersetzung oder eine Samstagnachtschicht.
»Du bist mir einige Erklärungen schuldig, Riedwaan«, sagte sie und schloss die Tür. »Und erzähl mir nicht, dass Phiri sich dieses kleine Ränkespiel selbst ausgedacht hat.«
»Es ist schon fast Mittag. Ich brauche etwas in den Magen, bevor wir das besprechen.« Riedwaan nahm den Ordner mit Tamar Damases’ Notizen in die Hand. »Machst du uns was zu essen?«
6
»Was hat Captain Damases bis jetzt?«, fragte Clare, während sie ein Tablett mit frischem Brot, Carpaccio und einem Salat auf ihren Balkon trug.
»Drei tote Jungs. Alle in oder um Walvis Bay. Diesen Jungen haben sie heute Morgen gefunden.« Riedwaan drehte die oberste Seite der gefaxten Akte zu ihr hin. »Außerdem zwei andere: Nicanor Jones und Fritz Woestyn. Alle im Abstand von etwa einer Woche aufgefunden.«
Clare streichelte ihre Katze, die zwischen ihren Beinen herumstrich. »Und?«
»Das gleiche Alter, die gleiche Todesursache. Verletzliche Kinder, leichte Ziele. Niemand, der sie vermisst gemeldet hätte. Dazu die abnormalen Fesselungen, die riskante Zurschaustellung, zum Beispiel beim letzten Opfer auf der Schaukel. All das schreit für sie nach einem Serientäter. Sie dachte, und meiner Meinung nach zu Recht, dass sie eher eine Chance hat, den Fall zu knacken, bevor die nächste Leiche angespült wird, wenn sie jemanden hinzuzieht.«
»Hört sich nach einem Fall aus dem Lehrbuch an«, sagte Clare. Sie rollte eine Scheibe papierdünnes Rinderfilet zwischen den Fingern und steckte sie in den Mund. »Wie heißt der letzte Junge?«
»Sie haben ihn noch nicht endgültig identifiziert, aber sie tippen auf Kaiser Apollis. Sieht aus wie vierzehn, könnte aber auch sechzehn sein. Lebte genau wie die beiden anderen
Opfer auf der Straße. Eine Aidswaise allem Anschein nach. Irgendwo gibt es auch eine Schwester, aber die wurde noch nicht befragt. Das steht für übermorgen auf dem Programm. Mit dir zusammen«, sagte Riedwaan. »Hier, sieh dir Captain Damases’ Fotos an.«
Er schob ihre Teller beiseite und breitete die Bilder auf dem Tisch aus. Sein Handy läutete. Nicht der übliche Klingelton, sondern einer, den ein kleines Mädchen aufgenommen hatte, bevor es mit seiner Mutter nach Kanada abgeflogen war. Die Kinderstimme rief ihn süß und klagend: »Daddy, Daddy, ich bin’s!«
»Yasmin?«, fragte Clare.
»Genau.« Riedwaan sah auf seine Uhr. »Meine vierzehntägige Ration an Vaterfreuden.« Er stand auf, das Handy schon am Ohr. »Hallo, meine Kleine. Wie geht’s euch in Kanada?«, hörte Clare ihn sagen, bevor er die Tür ins Schloss zog, um ungestört mit der siebenjährigen Tochter sprechen zu können, die er seit beinahe einem Jahr nicht mehr gesehen hatte.
Clare wandte ihre Aufmerksamkeit den
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