Blutrose
deutete auf den Zeitpunkt, zu dem die Nachricht eingegangen war: neun Uhr zwanzig.
Riedwaan und Carl sahen sie verständnislos an.
»Ihr Flug hatte zwei Stunden Verspätung. Vor elf saß niemand in diesem Flugzeug.«
Riedwaan stellte das Motorrad vor dem Revier ab. Noch bevor er die Zündung ausgeschaltet hatte, war Clare schon unterwegs zum Eingang.
»Diese Lehrerin, von der du in McGregor gesprochen hast«, rief Riedwaan ihr nach. »Hat sie wieder geheiratet?«
»Darlene?« Clare drehte sich um. Schlagartig fiel ihr ein, dass sie noch einmal mit ihr hatte sprechen wollen.
Riedwaan nickte.
»Nein, nach ihrem ersten Ehemann hatte sie genug von den Männern. Sie hat nur ihren Ehenamen abgelegt. Warum fragst du …«
Das Schrillen von Clares Handy schnitt ihr das Wort ab. Sie
holte es aus der Tasche und schaute auf das blinkende Display. »Tertius Myburgh«, sagte sie zu Riedwaan. »Mein Pollenexperte. Ich dachte, der Erdboden hätte ihn verschluckt. Lass mich kurz mit ihm sprechen.« Sie drückte das Handy ans Ohr und nickte der Frau am Empfang grüßend zu, als sie das Gebäude betrat.
Riedwaan folgte ihr wie betäubt und für seine Verhältnisse ungewöhnlich still durch den Korridor.
Clare setzte sich an ihren Schreibtisch und legte das Handy beiseite. »Er hat die Ergebnisse«, sagte sie und griff nach einem Straßenatlas. »Wir treffen uns am Dolphin Beach auf halbem Weg zwischen Walvis Bay und Swakopmund.«
»Kannst du das allein erledigen?«, fragte Riedwaan. »Ich habe noch zu tun.«
»Ich rufe dich an, sobald ich zurück bin.« Clare nahm ihre Schlüssel. »Wo willst du hin?«
»Ich treffe mich mit deiner geschiedenen Balletttänzerin.« Riedwaan lächelte. »Darlene Ruyters. Um herauszufinden, was sie mir über Zentauren und Phoenixe erzählen kann.«
48
Ein einziger Tritt hätte die frisch installierte Türkette aus der Verankerung gerissen, doch Riedwaan läutete lieber.
»Ja?« Darlene Ruyters öffnete die Tür einen Spalt weit.
»Captain Faizal. Polizei.« Riedwaan kam sich jedes Mal idiotisch vor, wenn er seine Marke wie ein amerikanischer Filmbulle hochhielt, aber er machte es trotzdem. Die Menschen sahen so viel fern, dass sie das erwarteten. Darlene streckte die Hand nach der Marke aus, ehe sie die Kette zurückzog und ihn ins Haus ließ. Riedwaan trat in den muffig dunklen Flur. Der Geruch von unzähligen Häusern, die er betreten hatte: eine Mischung aus dem Essen von gestern und Angst.
»Wo ist er, Darlene?«
Darlenes Augen wurden groß. »Hier ist niemand.« Sie verschränkte die Arme. Sie trug keinen BH.
Riedwaan schob sich an ihr vorbei und eilte durch den Flur. Er öffnete die erste Tür – Darlenes Schlafzimmer. Nylonspitzen in Apricot und lindgrüne Wände. Ein abgewetzter, zottiger Teppichboden und ein Stapel Teddybären auf dem Bett. Er öffnete die nächste Tür: ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, eine Lampe. Nichts verräumt, aber die Fenster waren verschlossen, und die schale Luft roch nach Mann.
»Wo ist er hin?«, wollte Riedwaan wissen.
Darlene stand direkt hinter ihm, das bleiche, einst so schöne Gesicht von dunklem Haar umrahmt. »Sie sehen doch. Hier ist niemand.« Sie wandte sich ab, doch Riedwaan hielt sie am Arm zurück und zog sie wieder herum, sodass sie leicht wie ein Vogel gegen seinen Oberarm flog. Die blauen Flecken an ihren Handgelenken waren zu Schatten verblasst. Riedwaan zog den Kragen von ihrem Hals weg. Auf dem Schlüsselbein leuchtete ein übel aussehender Bluterguss. Er betastete ihren Hinterkopf. Sie zuckte zusammen. Unter den Haaren war die Haut aufgeplatzt.
»Sagen Sie mir, wo er ist«, verlangte Riedwaan. »Ihr Hausgast, der Ihnen dieses charmante Abschiedsgeschenk hinterlassen hat.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, flüsterte Darlene. Riedwaan ließ sie los. Sie schwankte auf den nackten Füßen.
»Der Mann, der den Wagen gemietet hat. Von Centaur Consulting«, sagte Riedwaan. Er zog den Mietvertrag aus seiner Tasche und zeigte ihn ihr. »Dreiundfünfzig 2nd Avenue. Ihre Adresse. Er hat den Wagen noch nicht wieder abgegeben. Ihr Exmann.«
»Malan.« Darlenes Mund verzog sich über dem Namen, als wäre er pures Gift. Sie rutschte an der Wand nach unten, bis sie zusammengekauert auf dem Boden saß.
Riedwaan blieb unbeeindruckt. »Wann ist er gefahren?«
Darlene gab den Kampf auf wie eine Ertrinkende, die zu müde ist, um noch weiterzukämpfen. »Vorgestern«, flüsterte sie.
»Und wo wollte er hin?« Riedwaan ging vor ihr in
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