Blutrose
die Hocke. Er hob ihr Kinn an, damit sie ihn ansehen musste.
»Sich seine Altersvorsorge auszahlen lassen.« Aus Darlenes Lachen triefte ätzende Verbitterung.
»Was soll das heißen?« Riedwaan wurde ungeduldig. »Ich habe nicht ewig Zeit.«
»Was wollen Sie denn machen? Mich auch noch schlagen?« Sie musterte ihn von oben bis unten. »Ich bin Expertin auf diesem Gebiet, und Sie« , spie sie ihm entgegen, »haben das bestimmt nicht drauf.«
»Warum kam Malan zu Ihnen?«
»Weiß ich nicht. Er hat es mir nicht erklärt. Er wollte irgendwo absteigen. Irgendwo, wo man ihn nicht sehen würde. Ich weiß es nicht.« Mit schmerzverzogenem Gesicht richtete sich Darlene wieder auf.
»Und Sie haben sich nicht geweigert?«
»Das habe ich dafür bekommen, dass ich mich nicht geweigert habe.« Darlene knöpfte ihre Bluse auf. Ihr zerbrechlicher Körper war bis zur Hüfte blau und grün verfärbt. »Ich dachte immer nur, es kann nicht ewig dauern. Und das hat es auch nicht. Irgendwann ist er abgezogen.«
Riedwaan streckte die Hände aus und knöpfte ihre Bluse behutsam wieder zu. »Wo kann ich ihn finden?«, fragte er.
»Wenn er nicht draußen in der Wüste ist, dann hoffe ich bei Gott, dass er wieder weit weg ist.«
»In der Wüste?«
»Der Sand an seinen Stiefeln. Ich durfte sie um der alten Zeiten willen putzen. Sie waren voll mit dem goldenen Staub, den man im Landesinneren findet. Katzengold.«
»Warum könnte er zurückgekommen sein? Denken Sie nach, Darlene.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es wirklich nicht. Aber falls ich sie nur ein bisschen kenne, kann ich es mir denken.«
»Sie?« Riedwaan fasste sie bei den Schultern. Wieder verzog sie das Gesicht.
»Malan. Hofmeyr.« Sie schwenkte wegwerfend die Hand. »Bloß dass der inzwischen tot ist.«
»Janus Renko?«, probierte es Riedwaan.
Ein Schatten huschte über Darlenes Gesicht. »Den Namen habe ich lange nicht mehr gehört.«
»Sie haben ihn nicht gesehen?«, fragte Riedwaan.
»Nicht seit die südafrikanische Armee abzog, und ich flehe zu Gott, dass ich ihn nie wiedersehen muss. Gegen Renko waren mein Mann und Hofmeyr Waisenknaben.«
Darlene zog ein Päckchen aus ihrer hinteren Hosentasche und nestelte eine Zigarette heraus. Riedwaan gab ihr mit seinem Feuerzeug Feuer.
»Was war das für eine Altersvorsorge?«, fragte er.
Darlene schüttelte wieder den Kopf.
»Dann raten Sie, Darlene! Raten Sie!« Riedwaan bemühte sich, seine Ungeduld nicht durchklingen zu lassen. Es war, als wollte er einen Wildvogel dazu bringen, aus seiner Hand zu fressen.
»Ich würde sagen, es hat was mit den Waffen zu tun, die sie im Krieg getestet haben.«
»Was?«
»Sie haben doch die Bilder von Guerillakämpfern gesehen, die unter Drogen gesetzt und aus Flugzeugen geworfen wurden. Von Menschen, die verbluteten, nachdem sie festgehalten worden waren. Von Drogen, die das Herz zum Stillstand bringen. Was glauben Sie, wo das ausprobiert wurde?«
»Wo haben sie das gemacht?«, fragte Riedwaan.
»Erst in Vastrap, und später draußen in der Namibwüste, irgendwo im Kuiseb-Delta. Ich war nie dort.«
»Wäre es möglich, dass sie sonst jemanden mit hinausgenommen haben? Zum Beispiel Jungen?«
Sie bedachte das. »Unwahrscheinlich«, sagte sie und streckte die blau gefleckten Hände vor. »Er will ausschließich Frauen betteln und kriechen sehen. In der Beziehung ist er ganz traditionell, wenn er also Jungen mit hinausgenommen hat, dann nur, wenn etwas Anstrengendes erledigt werden musste.«
»Wo sind sie wohl hingefahren«, fragte Riedwaan, »wenn sie wirklich alle zurückgekommen sind? Verraten Sie es mir, Darlene. Falls sie zurückgekommen sind, um ihr altes Spiel zu treiben, und Sie mir nichts sagen, werden sie noch wesentlich mehr als ein paar obdachlose Kinder auf dem Gewissen haben.«
Darlenes Widerstand brach in sich zusammen. »Es gibt da vielleicht eine Stelle. Ich werde sie Ihnen zeigen.« Riedwaan folgte ihr durch den Flur. »Hier.« Sie deutete auf eine alte, an die Wand geklebte militärische Karte. »Das ist eine Karte des Kuiseb vor der großen Überschwemmung vor ein paar Jahren. Hier befand sich ein großer Armeestützpunkt, bevor der Fluss nach der Überschwemmung den Lauf änderte.« Sie deutete auf einen Punkt neben dem ehemaligen Flussbett. »Wegen dieses Gebietes beiderseits der alten Eisenbahnstrecke gibt es viele Probleme zwischen den Topnaars und der Armee; es war voller Nara-Pflanzen. Jetzt bereitet es Goagab Kopfzerbrechen. Vielleicht
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