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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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Kaffee, um auf Trab zu kommen. Tamar erschien in aller Frühe, um sie zur Schule zu fahren. Die Straßen waren noch leer, und sie waren breit – so breit, dass ein Ochsenkarren darauf wenden konnte. Vor hundert Jahren waren die das einzige Transportmittel in das wasserlose Landesinnere gewesen. Auf den staubigen Straßen gelangten all die Zutaten der Zivilisation – Tee, Kaffee, Zucker, Alkohol und später Waffen – ins Landesinnere und das koloniale Beutegut – Kupfer, Uran, Gold und Diamanten – wieder hinaus. Der einzige Grund, sich hier niederzulassen, dachte Clare, lag darin, einen Anteil an allem, was hier durchkam, zu kassieren.
    Es war erst fünf nach sieben, als Tamar vor dem verschlossenen Schultor anhielt. Der Hausmeister beäugte sie argwöhnisch, winkte aber, als er Tamar erkannte.
    »Herman Shipanga«, sagte Tamar zu Clare. »Er hat den Toten gefunden.«
    »Wann wird die Schule wieder geöffnet?«, fragte Clare.
    »Vielleicht am Donnerstag; sonst nächste Woche. Erasmus, der Schulrektor, hat es gar nicht gut aufgenommen. Was mich überrascht hat. In der Armee war er ein wirklich harter Knochen.«
    »In der südafrikanischen Armee?«
    »Ja, nachdem sie vierundneunzig abzog, nahm er die namibische Staatsbürgerschaft an und blieb hier.«
    »Haben das viele so gemacht?«
    »Ein paar. Manche behaupteten, sie würden das Land lieben.
Andere betrachteten es als praktische Möglichkeit, sich Bischof Tutu und seiner Kommission für Wahrheit und Versöhnung zu entziehen. Wir nördlich vom Oranjefluss hatten beschlossen, unsere kleinen Grausamkeiten einfach unter den Teppich zu kehren.«
    Tamar parkte unter einer windgebeutelten Palme. »Kommen Sie hier entlang. Es gibt einen Weg auf der Rückseite der Schule. Dort ist der Junge reingekommen.«
    »Sie glauben, dass er da noch gelebt hat?«
    »Nein, Verzeihung. Das hat er bestimmt nicht«, sagte Tamar. »Ich meine, seine Leiche, wie uns Helena Kotze später bei der Autopsie bestätigen wird.«
    Clare arbeitete sich über den Pfad vor. Er war mit Chipstüten und leeren Flaschen übersät. An manchen Stellen hatten sich Kondome im Stacheldrahtzaun verfangen.
    »Prostituierte bringen ihre Freier hierher?«, fragte sie.
    »Ja, solange es keine Beschwerden gibt, lassen wir sie gewähren«, antwortete Tamar. »Ich habe die Mädchen befragt, die hier gewöhnlich herkommen. Keine hat was gesehen.«
    »Glauben Sie, dass sie die Wahrheit sagen?«
    »Das kann ich nicht beurteilen.« Tamar blieb stehen, sobald der Spielplatz in Sichtweite kam.
    Die Häuser standen mit dem Rücken zu der engen Straße. In den sandigen Hinterhöfen bellten Hunde, die an irgendwie im Boden verankerte Drähte gekettet waren. Feuchte Kleider hingen an durchgesackten Wäscheleinen. In dem Hof gegenüber dem flatternden Polizeiabsperrband hängte eine verhärmt wirkende Frau gerade das letzte Wäschestück auf und setzte den leeren Wäschekorb auf ihre Hüfte. Ein pummeliges Kleinkind versuchte, seinen Roller durch den Sand zu schieben.
    »Hallo«, grüßte Clare und trat an den Zaun.
    »Was wollen Sie?« Die Stimme der Frau klang unwirsch.
    »Bellen diese Hunde immer so?«, fragte Clare.

    »Nur bei Fremden.« Die Frau angelte eine Zigarette aus ihrer Tasche.
    »Haben Sie Sonntagabend oder Montag frühmorgens irgendwas gehört?«
    »Das hat die mich doch schon gefragt.« Die Frau zielte mit der Zigarette auf Tamar. »Ich hab ferngesehen.« Sie blies einen Rauchring. »Und dann hab ich geschlafen.«
    »Alles, was ungewöhnlich war, könnte wichtig sein«, sagte Clare. »Ein Junge wurde ermordet.«
    »Ja, der dritte. Statt unschuldige Menschen zu belästigen, sollten Sie lieber der Polizei sagen, die soll ihre Arbeit tun, damit unseren Kindern nichts passiert.« Damit drehte sich die Frau um, ging ins Haus und schrie ihrem Kind zu, ihr zu folgen.
    »Wer benutzt diesen Weg?«, fragte Clare Tamar.
    »Alle, die eine Abkürzung zur Schule nehmen«, antwortete Tamar. »Früher kamen auch die Müllsammler mit ihren Eselkarren hier durch.«
    »Jetzt nicht mehr?«
    »Nicht mehr so oft. Der Großteil des Mülls wird inzwischen auf der städtischen Deponie recycelt. Die Topnaars dürfen mit ihren Karren nicht mehr in die Stadt fahren. Angeblich aus hygienischen Gründen, dem Chef der Stadtreinigung zufolge. Aber hin und wieder kommen sie trotzdem.«
    »Mein Freund Goagab?«, fragte Clare.
    »Genau der.«
    Der Spielplatz befand sich oberhalb eines sanften Abhanges. Ein neuer Holzzaun trennte den Bereich

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