Blutrose
entkommen.«
»Sie waren nie wieder dort?«, fragte Riedwaan.
»Nie mehr. Genauso wenig wie mein Mann. Für ihn gab es dort nichts mehr. Für die anderen auch nicht. Alle wurden heimgeschickt, um ihre Gärten zu bestellen oder um im neuen Südafrika als Wachmänner zu arbeiten.« Sie starrte auf das Bild wie auf eine Kobra, die ihren Kopf hin und her wiegt. »Er sagte, es wäre besser, alles in der Vergangenheit zu lassen, wo es hingehöre. Walvis Bay war der Ort, an dem alle seine Träume gestorben waren. Er bezeichnete die Vergangenheit immer als Narrenposse.« Mrs Hofmeyr tippte auf ihren Mann, der in typischer Soldatenpose und mit einer filterlosen Zigarette in der Hand dastand. »Dieser Narr«, sagte sie. »Sie waren alle Narren.«
»Hat Ihr Mann irgendwelche Aufzeichnungen über seine Zeit in Namibia aufbewahrt?«, fragte Riedwaan.
»Nein. Er hat alles im Kopf behalten. Eine Angewohnheit nach der Arbeit mit geheimem Material. Er war stolz darauf, dass er alles im Gedächtnis behielt, ohne sich je etwas zu notieren.«
Sie blickten gemeinsam auf die verblichenen Fotos. Tief im Haus schlug eine Uhr zehnmal.
»Mehr ist da nicht«, sagte Mrs Hofmeyr. »Oder?«
»Er hat sich überhaupt nicht gewehrt.« Clare brach das Schweigen auf der Rückfahrt. Sie waren ohne ein Wort zu
wechseln von McGregor bis in die Außenbezirke von Kapstadt gefahren.
»Hofmeyr?« Riedwaan war mit den Gedanken woanders gewesen.
»Es gab keine Verletzungen. Keine Verletzungen, die auf einen Kampf hindeuteten. Glaubst du, er wollte sterben? Er hatte einfach aufgegeben?«
»Möglicherweise hatte er das Gefühl, dass er ohnehin sterben würde, und deshalb beschlossen, sich in sein Schicksal zu fügen ohne zu betteln und zu flehen oder einen Fluchtversuch zu unternehmen«, meinte Riedwaan. »Oder er kannte seinen Mörder und war am Ende einer Straße angelangt, von der nur die beiden wussten. Der Krieg in Namibia war schmutzig, und der meiste Schmutz wurde unter den Teppich gekehrt.«
»Das hilft uns nicht wirklich weiter, oder?« Clare spielte mit den neuen Puzzlestückchen, die Mrs Hofmeyr ihnen gegeben hatte. »Ich finde, wir sollten noch einmal mit Darlene Ruyters sprechen. Sie nach ihrem Exmann befragen.« Es gab Verbindungen, aber sie passten nicht nahtlos zusammen. »Leider ist sie nicht besonders gesprächig. Ich glaube nicht, dass sie reden wird, falls sie etwas weiß.«
»Unterhalten wir uns erst einmal mit dem damals ermittelnden Polizisten, falls er nüchtern genug ist.«
»Du kennst ihn?«
»Eberard Februarie. Ein alter Bekannter.« Riedwaan nahm die Ausfahrt nach Stellenbosch. »Wahrscheinlich bin ich ihm sowieso noch einen Drink schuldig.«
34
Das Polizeirevier von Stellenbosch lag in tiefem Frieden, als Clare und Riedwaan eintrafen. Clare wartete im Wagen, während Riedwaan hineinging, um den Polizisten herauszuholen, der den Fall Hofmeyr bearbeitet hatte.
»Wo ist Captain Februarie?«, fragte er eine gelangweilt aussehende Polizistin im Aufenthaltsraum. Die Gespräche mit Eberard Februarie heiterten ihn immer auf. Niemand war so knallhart ganz unten aufgeschlagen wie der ehemalige Captain der Drogenfahndung.
»Nicht da.« Die Frau stopfte sich einen Keks in den Mund.
»Wo ist er, Constable?«, wiederholte Riedwaan geduldig.
»Sind Sie Polizist?«
»Glauben Sie, ich ziehe mich zum Spaß so billig an?«, fragte Riedwaan. Die Polizistin sah ihn ausdruckslos an. »Natürlich bin ich Polizist. Captain Faizal.«
»Captain Februarie ermittelt gerade in einem Fall.«
»In welchem?«
»Das hat er nicht an die Tafel geschrieben.« Es stimmte. Neben jedem Namen auf der weißen Tafel war etwas in korrekten Druckbuchstaben eingetragen. Neben jedem Namen außer Februaries, genau gesagt.
»Können Sie mir seine Handynummer geben?«
»Sicher.« Die Polizistin blätterte in einer schmierigen Akte. Es war die falsche Akte. Sie fand die richtige Akte. Fand die richtige Seite. Und sogar die Nummer. Dann fand sie einen Stift. Fand ein Stück Papier. Schrieb die Nummer auf. Als sie wieder aufsah und Riedwaan den Zettel geben wollte, war er weg. Sie zuckte die Achseln und beugte sich wieder über ihren Tee.
Bis dahin waren Riedwaan und Clare schon drei Blocks
gefahren. Die Wahrscheinlichkeit, Februarie an einem Samstagvormittag nicht im Royal Hotel anzutreffen, war minimal. Riedwaan drückte die Schwingtüren auf und ließ Clare vorangehen. In der Bar war es düster. Der Mief des gestrigen Gelages hing noch in der Luft. Jetzt
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