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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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Lady’s Book, auf denen sich die neuesten Accessoiremoden illustriert fanden. Fächer waren zu sehen, Pantoletten, Umlegetücher und Schals, Kragen, Handschuhe und Retiküle, doch hauptsächlich schien Fiona an Hüten interessiert gewesen zu sein. Viele der Abbildungen wiesen hastig mit Bleistift darauf gekritzelte Vermerke auf: Filz, Samt und Moleskin für den Hut, lange Straußenfeder und Pompom für den Putz; Litze und Plumage, vielleicht nur gefiederte Quaste; Rosetten und Federn plus Tüll oder Band, lang den Rücken hinab.
    Auch dieses Zimmer war ganz offensichtlich durchsucht worden, aber weniger gründlich als der Rest des Hauses. Kleider lagen überall verstreut, eine alte Schiffstruhe war umgekippt worden, doch das schmale Bett war unberührt. Skinner hatte anscheinend nicht ernsthaft damit gerechnet, das geheimnisvolle Rote Buch ausgerechnet im Zimmer der Dienerin zu finden.
    Nell und Will sahen gemeinsam den Inhalt der Schiffstruhe durch: einige Groschenromane, stapelweise Zeitschriften, die mit fester Schnur zusammengebunden waren, ein Notizbuch mit den Namen und Anschriften von Großhändlern, ein weiteres mit Schnittmustern für Hauben sowie sieben dicke Schreibhefte voller sorgfältig eingeklebter Modezeichnungen. Den Daten auf den Zeitschriften nach zu urteilen, musste die einundzwanzigjährige Fiona bereits im Alter von zwölf begonnen haben, diese Hefte zu führen.
    Langsam traten Nell und Will den Rückzug an, diesmal mit besonderem Augenmerk auf den Schriftstücken, die überall im Haus verstreut herumlagen – Briefe, Rechnungen, Einkaufszettel … Doch da auch diese keine plötzlichen Offenbarungen versprachen, und Nell zudem schon spät dran war und dringend zurück in die Colonnade Row musste, schloss Will schließlich die Haustür wieder hinter ihnen ab und geleitete Nell die Vordertreppe hinunter.
    â€žWirst du mit Gracie heute Nachmittag wieder in den Public Garden gehen?“, fragte er.
    â€žIn den Common“, erwiderte sie. „Sie möchte ihr Spielzeugboot im Froschteich segeln lassen.“
    â€žAusgezeichnet. Ich habe nämlich auch ein neues Boot für sie – eine chinesische Dschunke.“
    Nell blieb jäh am Fuße der Treppe stehen und wandte sich zu ihm um. Einst war er sehr oft in Hongkong und Shanghai gewesen. Und so ungern sie ihn auch nach seinen Reisen fragte … „Du warst doch gerade mal einen guten Monat fort. Das dürfte kaum reichen, um einmal nach China und wieder zurückzureisen.“
    Will lachte. „Das stimmt allerdings. Von Boston aus braucht man allein für die Hinreise mindestens hundert Tage. Von San Francisco aus schafft man es allerdings in der Hälfte der Zeit – dort habe ich übrigens auch die kleine Dschunke gekauft.“
    â€žWirklich?“ Die Fahrt von der Ostküste gen Westen, ob nun per Schiff oder über Land, war bislang ebenfalls sehr umständlich und zeitaufwendig gewesen. Aber letzten Monat hatten die Eisenbahngesellschaften Central Pacific und Union Pacific ihre Streckennetze zusammengeführt, was mit viel Jubel begrüßt worden war.
    Er lächelte. „Ich wollte unbedingt an Bord des ersten Zuges sein, der von Omaha nach San Francisco fährt. In vier Tagen vom Missouri River zum Pazifik – nicht schlecht, was?“
    â€žDu konntest wohl der Versuchung nicht widerstehen, an der Historie teilzuhaben?“
    â€žIch konnte der Versuchung nicht widerstehen, an einem Pokerspiel mit legendär hohen Einsätzen teilzuhaben, zu dem ich von ein paar reichen Kaliforniern eingeladen worden bin, die glücklicherweise nie wissen, wann sie es beim Spiel besser gut sein lassen.“
    â€žAh ja. Natürlich.“ Nell wünschte, sie hätte ihrem Instinkt gehorcht und Will nicht danach gefragt, wo er gewesen war. San Francisco war geradezu berüchtigt für Verwerfliches aller Art – Raub und Mord, Glücksspiel, Prostitution und, natürlich, Opium. Entlang der Barbary Coast sollte die Luft geschwängert sein von Opium, so hieß es, ebenso wie im Chinesenviertel der Stadt. Und es hatte einmal eine Zeit in Wills Leben gegeben, wo er auch dieser Versuchung nicht hätte widerstehen können.
    Wahrscheinlich hatte er ihr jeden Gedanken vom Gesicht ablesen können, denn nun meinte Will, ruhig und aufrichtig: „Ich habe mich sehr verändert, seit ich dich kennengelernt habe. Du hast

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