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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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…“ Er schlug die Augen nieder und runzelte die Stirn, als wisse er auf einmal nicht mehr weiter. Als er wieder aufsah, trafen sich ihre Blicke, und er sagte einfach nur: „Ich habe mich verändert. Ich hoffe, das weißt du.“
    â€žJa, das weiß ich.“
    Er nickte bedächtig und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Dann … äh … hättest du also nichts dagegen, wenn ich heute Nachmittag zum Froschteich käme?“
    â€žWarum sollte ich?“, entgegnete sie und lächelte, um die Stimmung etwas aufzulockern. „Du machst mir doch nun den Hof, oder etwa nicht?“
    Als er ihre Hand nahm und ihr in seinen Phaeton half, lachte er leise. „Verwegen. Das gefällt mir.“

7. KAPITEL
    â€žIch habe etwas sehr Bedeutsames mitzuteilen“, verkündete Orville Pratt während des raffinierten Diner à la Russe, dessen Gastgeber er am folgenden Abend war, und brachte sogleich die anderen zehn Personen zum Verstummen, die sich an der langen, damasten betuchten Tafel eingefunden hatten. An sich hätte noch ein weiterer Gast kommen sollen, damit man ein volles Dutzend sei und die Zahl der Herren sich mit denen der Damen die Waage hielt, doch der Mandant, den Mr. Pratt vor zwei Tagen so spontan eingeladen hatte, war nun nicht erschienen, weswegen der Stuhl linker Hand von Nell betrüblicherweise leer blieb.
    Der einzige Laut, der im prächtigen Speisesaal der Pratts noch zu vernehmen war, war ein gedämpftes Klirren, als die vier in Gold und Scharlachrot livrierten Lakaien den Römischen Punsch abräumten, mit dem die Gäste sich zwischen dem Fleischgericht und dem nachfolgenden Wildgang den Gaumen ein wenig erfrischt hatten. Laut der säuberlich ausgeschriebenen Speisenfolge – die Karte lehnte zwischen den vergoldeten Schälchen, die an Nells und des abwesenden Gastes Platz standen – gab es nun Riesentafelente mit Johannisbeergelee und Bratensud, serviert mit Madeira.
    Winifred Pratt, die ihrem Gemahl gegenüber am anderen Ende des Tisches saß, fuchtelte hektisch mit den Händen in der Luft herum, um ihn durch das Gewirr von Kandelabern, das sich in langer Reihe zwischen ihnen erstreckte, auf sich aufmerksam zu machen. „Wie wäre es mit ein wenig Champagner, um auf diese wunderbare Neuigkeit anzustoßen?“
    Mr. Pratt ließ seinen eisigen Blick auf ihr ruhen, wobei der Bluterguss um sein linkes Auge nur noch den Eindruck verstärkte, als müsse er beständig mit seinem Verdruss an sich halten. Er war ein hochgewachsener Herr, der sich für sein Alter gut gehalten hatte. Sein silbrig schimmerndes Haar trug er aus der Stirn zurückgekämmt, die so steil und gewaltig schien, dass sich dahinter ein Gehirn von immensen Proportionen vermuten ließ. Er und seine kleine korpulente, immer ein wenig konfuse Gattin hätten unterschiedlicher nicht sein können.
    Mr. Pratt nickte seinem Butler zu, einem stämmigen, schweigsamen Burschen, der nun wiederum den vier Lakaien bedeutete, dem Wunsch nachzukommen, wonach sich eine erwartungsvolle Stille über den Raum senkte. Winifred schaute beschwingt in die Runde und hielt ihre kleinen feisten Hände zum Applaus bereit. Vera Pratt – Mr. Pratts unverheiratete Schwester, wie Nell mittlerweile erfahren hatte, die bei der Familie ihres Bruders lebte, wenn sie nicht gerade Emily als Gesellschafterin auf deren ausgedehnte Reisen begleitete – fing Winifreds Blick auf und sah sie ziemlich befremdet an, woraufhin ihre Schwägerin ihr unüberhörbar und zudem unsinnigerweise zuraunte: „Nun gedulde dich doch, um Himmels willen!“
    Winifreds Blick war schon etwas unscharf, ihre Wangen glänzten rosig; sie hatte sich den zu jedem Gang servierten Wein oder Likör mindestens einmal nachschenken lassen. Emily wollte gerade etwas zu ihrer Mutter sagen, verstummte jedoch wieder und sah mit recht enervierter Miene beiseite.
    Emily Pratt, gerade erst von ihrer Europareise zurückgekehrt, hatte braune Augen und honigblondes Haar, und ihr Geschmack in modischen Fragen verblüffte Nell zutiefst. Das Kleid, das sie heute Abend trug, war zwar ebenso schlicht wie jenes, das sie gestern auf der Beerdigung getragen hatte, doch die pflaumenblaue Shantung-Seide ließ es ausgesprochen sinnlich und romantisch wirken. Ihr Haar trug sie offen, sodass es ihr in weichen Locken auf die Schultern fiel und ihr Gesicht wie einen im Kerzenlicht bronzen

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