Blutrot wie die Wahrheit
umklammert, in der anderen eine GieÃkanne, mit der er bedächtig einen Kübel prächtiger Philodendrons goss.
Ohne in seinem Tun innezuhalten oder auch nur über die Schulter einen Blick auf seine Besucher zu werfen, fragte Thurston: âKenne ich Sie, Dr. Hewitt?â
âWir sind uns vor einigen Jahren mal flüchtig begegnet.â Verglichen mit Wills volltönendem britischen Tonfall wirkte Thurstons affektierter Akzent recht albern. âAber gewiss erinnern Sie sich nicht mehr daran.â
Erst als die Philodendrons reichlich gewässert waren, drehte Thurston sich langsam zu ihnen um. Im vereinzelt durch das wuchernde Grün hereinfallenden Sonnenlicht sah er bleich und mitgenommen aus, auch etwas gebeugt â viel älter als am Tag von Virginia Kimballs Begräbnis. Doch davon abgesehen, war sein ÃuÃeres tadellos, vom Scheitel seines pomadisiert gekämmten Haars bis zu den Spitzen seiner bequasteten Hauspantoffeln. Pantoffeln und Rock waren von genau demselben Blau wie das Blumenmuster seines Halstuchs.
Aus der Entfernung musterte Thurston erst Will, dann Nell. âKaffee bitte, Christopherâ, sagte er zu dem Diener, der sich verneigte und entschwand.
âSirâ, Will trat einen Schritt vor und legte seinen Hut auf dem schmiedeeisernen Tisch ab, âMiss Sweeney und ich versuchen Fiona Gannons Onkel zuliebe die genauen Umstände von Virginia Kimballs Tod zu klären. Er glaubt, dass seine Nichte unschuldig war, und würde sie gern von allen Verdächtigungen freigesprochen sehen.â
Thurston lachte kurz auf. âNun, da kann man ihm nur viel Glück wünschen.â
âWir waren gerade bei Isaac Fosterâ, sagte Nell. âEr meinte, sie hätten Ihre eigene Theorie, wer der Schuldige sei. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir Ihnen ein paar Fragen stellten?â
âFragen Sie. Das wird Ihnen nur nichts nützen.â Thurston hatte sich wieder umgedreht und machte sich nun daran, einen riesigen Gummibaum zu gieÃen, der so gut gediehen war, dass sein Astwerk schon unter der Decke entlang rankte und von dort wieder nach unten wuchs. âIch habe bereits versucht, bei den Behörden Gehör zu finden, doch Vernunft stöÃt dort auf taube Ohren. Ich war bei diesem kleinen Wiesel von einem Detective. Er hat mir gutmütig den Kopf getätschelt und mich dann umgehend von seinen Gehilfen hinausbefördern lassen. Er wollte es einfach nicht hören.â
âWollte was nicht hören?â, fragte Nell nach.
âDass Orville Pratt es war, der Virginia umgebracht hatâ, erwiderte Thurston, ohne sich von seinem Gummibaum abzuwenden. âUnd Fiona natürlich auch, aber das nur, weil sie eben zufällig dort war. Virginia war es, auf die er es abgesehen hatte.â
11. KAPITEL
Christopher kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem drei Tassen Kaffee standen, ein Teller mit pastellfarbenen Petits Fours, Zuckerdose und Sahnekännchen sowie eine bernsteingolden gefüllte Karaffe. Nachdem er alles auf dem Tisch arrangiert hatte, verneigte er sich und entschwand.
âWelchen Grund hätte Orville Pratt denn gehabt, Mrs. Kimball umzubringen?â, fragte Nell.
âSagen wir mal so: Virginia und er hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit.â Mit steifen Schritten kam Thurston zum Tisch hinüber, stellte die GieÃkanne ab und zog den gläsernen Stöpsel aus der Karaffe. âCourvoisierâ, sagte er und gab sich einen Schuss davon in seinen Kaffee. âGanz vorzüglich. Sollten Sie unbedingt probieren.â
âEine Meinungsverschiedenheit?â Nell rührte sich eine groÃzügige Portion Sahne in ihren Kaffee; auf den Cognac verzichtete sie in Anbetracht der vormittäglichen Stunde lieber und reichte ihn an Will weiter. âDas wird wohl kaum der einzige Grund sein, weswegen Sie ihn verdächtigen.â
âAm Tag vor dem Mord tauchte er bei ihr auf und drohte ihr, sie umzubringen.â Bedächtig blies Thurston in seinen Kaffee, nahm einen kleinen Schluck und schloss dann genieÃerisch die Augen.
âWarum?â, fragte Will.
âWeil er wütend auf sie war.â
âWeshalb?â
âDas tut nichts zur Sacheâ, befand Thurston knapp. âWas zählt, ist die Drohung. Ich war dabei und habe es selbst gehört.â
âHaben Sie das so etwa auch Detective Skinner erzählt?â, wollte Will wissen. âDass
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