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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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in New York eingetroffen zu sein; am Abend könne sie ihn in Boston erwarten. Da konnte sie ihn natürlich nicht Rosen im Haus finden lassen, die sie von einem anderen Mann bekommen hatte. Es waren absolut superbe Rosen, ganz frisch, die Hälfte der Knospen noch nicht geöffnet. Sechs Dutzend – ich habe sie gezählt. Noch nie hatte es in meinem bescheidenen Heim so lieblich geduftet.“
    Mit wehmütigem Lächeln wandte der Dramatiker sich einigen blühenden Pflanzen zu – Usambaraveilchen, Gardenien, verschiedenen Orchideenarten. Will sah Nell Hilfe suchend an, als wolle er fragen, Wie nur kann ich zu ihm vordringen?, doch anscheinend war ihm das längst gelungen, denn auf einmal sagte Thurston: „Solange er lebte, war Virginia Federici treu. Ihr blieb auch gar keine andere Wahl – er hatte ja überall seine Spione. Aber als er dann gestorben war …“
    Er zuckte die Achseln und ging zu einer Bananenstaude hinüber. Mit seinen knotigen Fingern prüfte er den Boden. „Sie war sehr sinnlich und scheute sich auch nicht, ihren Begierden nachzugeben. Was keineswegs heißen soll, dass sie unmoralisch gewesen wäre. Vielmehr fand ich sie … mutig. Ja, mutig und unerschrocken.“
    â€žMit welcher Art von Männern pflegte sie denn … Umgang zu haben?“, fragte Nell.
    â€žSie fühlte sich von starken und selbstsicheren Männern angezogen, von Macht und Erfolg …“
    â€žAlso von Gentlemen, die über die nötigen Mittel verfügten, ihrer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen?“, wagte Will sich auf heikles Terrain vor.
    Thurston warf ihm einen erbosten Blick zu. „Und hatten sie denn nicht allen Grund, dankbar zu sein? Himmel noch mal, sie war schließlich die große Virginia Kimball und nicht irgendein billiges Flittchen!“
    â€žEs war nicht meine Absicht, respektlos zu erscheinen“, versicherte Will mit knapper Verbeugung.
    â€žJa, natürlich haben sie ihr Geschenke gemacht“, sagte Thurston. „Was noch lange nicht heißt, dass sie sich verkauft hätte. Das war etwas ganz anderes.“
    â€žAber gewiss doch.“
    â€žUnd es war keineswegs so, dass alle über die nötigen Mittel verfügten, sie mit Schmuck und anderen Geschenken zu bedenken. Ab und an hatte sie auch jüngere Männer – ihre „Hübschen Habenichtse“, wie Virginia sie nannte. Schöne junge Männer, die sie sich wieder jung fühlen ließen. Von denen erwartete sie nichts weiter als …“
    â€žJugendlichen Enthusiasmus?“, schlug Will vor.
    Thurston sah ihn verschmitzt lächelnd an. Nell fragte sich, inwiefern Mr. Thurston wohl seine eigenen Fantasien durch Mrs. Kimballs amouröse Eskapaden ausgelebt hatte.
    â€žVerzeihen Sie die Frage, Mr. Thurston“, meinte sie, „aber haben die Nachbarn sich nicht irgendwann einmal über das ständige Kommen und Gehen dieser Gentlemen beschwert?“
    â€žSie benutzten meist die Gartentür an der Acorn Street.“ Thurston prüfte nun die Erde seiner Hängepflanzen – Schwertfarn, Pothos- und Efeuranken –, manche goss er, an anderen ging er vorbei. „In einer so kleinen, abgeschiedenen Gasse fielen ihre Besucher nicht so auf, und selbst wenn … nun ja, die Leute, die in der Acorn Street leben, verkehren zumeist nicht in denselben Kreisen wie jene aus der Mount Vernon Street, außer natürlich Dr. Foster. Virginia ließ Gartentor und Hintertür daher immer unverschlossen. Ich fand, dass dies sehr unklug und leichtsinnig von ihr war, und habe ihr das auch mehr als einmal gesagt. Aber sie meinte, sie habe ja die Remington, um sich zu verteidigen.“ Traurig fügte er hinzu: „Sie hielt sich für unverwundbar.“
    â€žWann hat sie mit den Erpressungen angefangen?“, fragte Will.
    â€žAls alles um sie her zusammenzubrechen begann. Arme Virginia.“ Thurston schüttelte die Gießkanne, um auch noch die letzten Tropfen Wasser einer Grünlilie zukommen zu lassen, humpelte dann zurück zum Tisch, holte einen Stuhl heran und verzog kurz und schmerzlich das Gesicht, während er sich setzte. Will rückte Nell einen Stuhl zurecht und nahm dann selber Platz.
    â€žNachdem Federici tot war“, fuhr Thurston fort, „musste sie von ihren Einkünften als Schauspielerin leben – was ein paar Jahre durchaus anging, da sie sehr gut bezahlt wurde. Aber je älter

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