Blutrot
sie von hinten gerammt. Er sah Danny an und merkte, dass der Junge gar nicht überrascht war. Er hatte die anderen längst im Rückspiegel gesehen. Ludlow stieß mit der rechten Hand gegen das Armaturenbrett, seine Schulter prallte gegen die Tür. Er sah Danny nach dem Revolver schielen.
Vergiss es, Junge, dachte er und hielt die Waffe ganz ruhig auf ihn gerichtet.
Hinter ihnen sah er McCormack am Steuer eines großen schwarzen Lincoln sitzen. Neben ihm zeichneten sich die Umrisse eines Jungen ab, dem Umfang nach zu urteilen Pete. Hinten saß eine dritte Person. Ludlow nahm an, dass es Harold war. Er fragte sich, ob der Junge wohl freiwillig mitgekommen war.
Der Lincoln rammte sie erneut. Diesmal war Ludlow darauf vorbereitet und stützte sich ab. Der Pick-up machte einen Satz nach vorn, hielt sich aber auf der Straße.
Ludlow sah, wie Danny den Fuß vom Gas nahm.
»Nein«, sagte er. »Du fährst schön weiter.«
Der Junge verzog das Gesicht, gehorchte aber.
McCormack will erreichen, dass wir gegen den Baum fahren. Obwohl sein eigener Sohn hier drinsitzt.
Und dieser Mann behauptete, er - Ludlow - sei verrückt.
Er versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Kopf dröhnte.
Er konnte den Jungen anhalten lassen, aussteigen und McCormack zur Rede stellen. Aber genau das wäre dem Mann wahrscheinlich am liebsten gewesen. McCormack hatte die Magnum dabei, und er hatte mit seinen Schießkünsten geprahlt. Ludlow hingegen hatte seit dem Krieg nicht mehr auf Menschen geschossen, schon gar nicht mit einer Handfeuerwaffe. Er konnte den Jungen als Geisel benutzen und versuchen, auf diese Weise zu entkommen. Aber Danny hatte recht: Ludlow würde ihn nicht töten. Und es sollte auch niemand anderes zu Schaden kommen. Deshalb war es ausgeschlossen, einfach aus dem Fenster zu schießen. Das wusste inzwischen offensichtlich auch McCormack. Dass Ludlow keine Toten wollte. Wahrscheinlich hatte der Kerl sich gerade deshalb an seine Fersen geheftet.
Weil er darauf zählte.
Nein. Es war besser, einfach weiterzufahren und darauf zu hoffen, dass McCormack nicht das Leben seines Sohnes aufs Spiel setzen würde. Wenn sie den Wald hinter sich gelassen hatten, würden sie auf einer offenen Küstenstraße fahren. Dort gab es Häuser, in denen Menschen wohnten. Zeugen. Danach kamen der Highway und die Stadt.
Sie mussten es einfach nur durch den Wald schaffen. Noch etwa zwei Meilen.
Der Lincoln rammte sie erneut, diesmal härter.
Der Pick-up brach zur Seite aus, schlingerte, fing sich aber wieder.
»Mann! Können wir nicht aufhören mit diesem Mist?«, rief Danny. »Sie bringen uns noch um!«
»Fahr einfach weiter wie bisher. Nicht schneller.«
»Er wird nicht aufhören, glauben Sie mir.«
»Das sollte er aber.«
»Ich kenne ihn. Er hört nicht auf.«
»Vielleicht kennst du ihn nicht so gut, wie du glaubst.«
»Ich sag’s Ihnen doch, verdammt noch mal! Wir müssen anhalten!«
»Schon vergessen? Ich tue nie, was man mir sagt. Aber diese Waffe hier sagt, du sollst weiterfahren.«
Dem Jungen brach der Schweiß aus. Seine Hände umklammerten das Lenkrad.
Einen Moment lang flackerten in Ludlow Zweifel auf. Er wusste, dass der Junge ein Lügner war, und
zwar ein verdammt guter. Was er aber nicht wusste, nicht wissen konnte , war, wie gut Danny wirklich log. Ob das, was er über seinen Vater sagte, stimmte oder nicht.
Im nächsten Augenblick beantwortete sich seine Frage.
Ein Blick zurück zeigte ihm, dass der Lincoln zehn Meter zurückgefallen war.
Plötzlich kam er wieder auf sie zugerast.
Der Wagen rammte sie mit etwa 70 Sachen. Er traf die Ladefläche auf der Beifahrerseite. Ludlow hörte das Geräusch von zerspringendem Glas und das Kreischen von aufeinanderprallendem Metall. Neben ihm brüllte Danny etwas, das er nicht verstand. Einen Moment lang schienen sie schwerelos zu sein, gemeinsam in der Zeit erstarrt. Reisende in einer plötzlichen Leere. Dann schlugen sie hinter der Böschung auf, rasten durchs Unterholz und auf die Bäume zu. Er sah, wie auf seiner Seite die Windschutzscheibe zersprang, getroffen von einem herabhängenden Ast. Er spürte, wie ihm ein Schauer aus feinen Glassplittern ins Gesicht und über die Hände regnete. Der Pick-up kippte auf die Seite, überschlug sich, richtete sich wieder auf und überschlug sich aufs Neue, sodass Ludlow erst an das Wagendach prallte, dann in den Beifahrersitz zurückfiel und schließlich wieder gegen die Decke stieß. Auf einmal sprang die Tür auf, obwohl er
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