Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blutrot

Titel: Blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
Vom Netzwerk:
jetzt beide auf, Daniel. Gemeinsam, ganz langsam. Zuerst hocken wir uns auf die Knie, dann erheben wir uns.«
    Der Junge gehorchte. Ludlow schmerzte der Rücken so sehr, dass er beinahe wieder zusammengesunken wäre. Er ließ es nicht zu. Er spürte, wie ihm Blut am Hals hinablief, und fragte sich, ob von dem Ohr überhaupt noch etwas übrig war.
    »Madam«, sagte er. »Werfen Sie mir bitte das Handtuch zu.«
    Ihre Finger krallten sich in den Stoff, die Knöchel rot vor Wut. Zitternd machte sie einen Schritt vorwärts. Ihr Gesicht war kreidebleich. Sie gab ihm das Tuch. Ludlow nickte ihr zu und drückte es sich ans Ohr.
    Die Mündung des Revolvers klebte an Dannys Schläfe. »Ich bringe Ihren Sohn jetzt in die Stadt«, sagte er. »Hausfriedensbruch ist eine Sache, wahrscheinlich habe ich mich dessen schuldig gemacht. Aber ein bewaffneter Angriff ist etwas ganz anderes. Ich habe noch nie gehört, dass einem vermeintlichen Eindringling am helllichten Tage aus nächster Nähe das Ohr weggeschossen wurde. Und die Polizei, glaube ich, auch nicht. Ich denke, sie werden mit Danny reden wollen. Diesmal schaffen wir es vielleicht sogar in die Zeitung, Mr. McCormack. Man kann nie wissen.«
    McCormack brüllte etwas.
    »Ich kann Sie nicht hören«, sagte Ludlow. »Tut mir leid.«

    Er drückte Danny die Waffe in die Rippen und führte ihn den Weg hinunter. Dann befahl er ihm, stehen zu bleiben, und wandte sich um. Er sah die Frau an, McCormacks Gattin, die wie erstarrt vorn auf der Veranda stand.
    »Es wäre nett, wenn Sie den Hund wieder zudecken würden, Madam«, sagte er. »Ich werde ihn später abholen.«

26
    »Du fährst«, sagte er. Er gab Danny den Wagenschlüssel.
    Mit vorgehaltener Waffe ließ er Danny einsteigen. Als er sich stöhnend auf den Beifahrersitz setzte, spürte er den lauernden Blick des Jungen. Offenbar hoffte Danny, dass er schlappmachen würde.
    »Los jetzt«, sagte Ludlow.
    Der Junge steckte den Schlüssel ins Zündschloss und ließ den Motor an.
    »Fahr langsam. Die Straße ist holprig.«
    »Fehlt Ihnen irgendwas?«
    »Ja, mir fehlt etwas.«
    »Sie schießen sowieso nicht.«
    »Hast du damit gerechnet, dass ich heute bei euch auftauchen würde?«
    »Nein.«
    »Woher willst du dann wissen, was ich tun werde?«
    »Sie sind ein verrückter alter Mann.«
    Die Stimme des Jungen kam aus weiter Ferne, noch immer gedämpft vom Rauschen in seinem Kopf.

    »Mag sein«, sagte Ludlow. »Aber dann solltest du lieber tun, was ich dir sage, findest du nicht?«
    Der Junge legte den Gang ein und fuhr los. Ludlow drehte das blutgetränkte Handtuch um und drückte sich die saubere Seite ans Ohr. Dann betrachtete er das Handtuch. Auch die frische Seite war jetzt blutig, aber weniger, als er erwartet hatte. Er nahm an, dass die Blutung nachließ. Im Rückspiegel versuchte er, sich die Verletzung genauer anzusehen.
    Die obere Hälfte der Ohrmuschel war verschwunden, als hätte man sie mit einem gezackten Löffel weggerissen. Unter den blutigen Hautfetzen schimmerte zerquetschte Knorpelmasse hindurch. Hinterm Ohr verlief eine etwa drei Zentimeter lange, glänzende Linie, auf der es keine Haare mehr gab. Hätte er den Kopf nur ein kleines bisschen schräger gehalten, wäre er ein toter Mann gewesen. Er klappte den Spiegel zurück und hielt sich das Tuch ans Ohr.
    »Nützt es etwas, wenn ich sage, dass mir das mit Ihrem Hund leidtut?«
    »Am Anfang hätte es dir vielleicht noch geholfen. Wenn ich gesehen hätte, dass du es ernst meinst. Jetzt ist der Zug abgefahren. Dein Bruder hat sich übrigens schon entschuldigt, wusstest du das? Nein. Ich wette, du hast es nicht gewusst. Und ich finde, deine Entschuldigung kommt reichlich spät. Du hast die Grenze lange überschritten.«
    »Mister …«
    »Fahr einfach weiter«, sagte Ludlow.

    Hinter dem Wald kamen sie wieder auf die asphaltierte Straße. Sie fuhren an der Weide entlang. Ludlow fiel auf, dass Danny selbst hier auf der ebenen Fahrbahn nicht schneller als dreißig fuhr, wahrscheinlich um Zeit zu gewinnen, dachte er. Er heckte wahrscheinlich irgendetwas aus, womit er Ludlow doch noch davon abbringen konnte, ihn der Polizei zu übergeben. Nun, dreißig Meilen die Stunde waren schnell genug. Sein Rücken fühlte sich etwas besser an, tat aber immer noch weh. Die durch den Knall verursachten Kopfschmerzen hämmerten gegen seine Schläfen. Je langsamer sie fuhren, desto besser.
    Erst als sie das zweite Waldstück erreichten, wurde ihm sein Denkfehler klar.
    Plötzlich wurden

Weitere Kostenlose Bücher