Blutrote Kuesse
Wänden und das eine oder andere Zierkissen, und der Raum hätte sich in einem Beitrag über Höhlendomizile bei Schöner Wohnen sehen lassen können.
Bones nahm seine Jeansjacke und brachte mich zurück zum Höhleneingang.
»Komm schon. Wir gehen in einen Schönheitssalon, es dürfte eine Weile dauern.«
»Das ist jetzt nicht dein Ernst.«
Mit einer Mischung aus Abscheu und Unglauben betrachtete ich mich in dem mannshohen Spiegel, den Bones an die Wand gelehnt hatte.
Fünf Stunden im Hot Hair Salon hatten mir einen genauen Eindruck davon verschafft, wie es sich anfühlt, durch die Mangel gedreht zu werden. Man hatte mir die Haare gewaschen, die Körperhaare mit Wachs entfernt, die Wimpern gezupft, die Haare geschnitten und geföhnt, ich war manikürt, pedikürt, gepeelt, exfoliert, onduliert, aufgestylt und dann mit Make-up zugekleistert worden. Bevor Bones mich abholte, hatte ich mich noch nicht einmal im Spiegel ansehen wollen, und dann weigerte ich mich die ganze Heimfahrt über, mit ihm zu reden. Beim Anblick des Endergebnisses schließlich brach ich mein Schweigen.
»So gehe ich auf keinen Fall unter Leute!«
Während ich im Schönheitssalon Folterqualen hatte erdulden müssen, war Bones offenbar einkaufen gewesen. Ich fragte ihn nicht, woher er das Geld hatte, denn mein Hirn gaukelte mir bereits Bilder von alten Menschen mit blutüberströmten Hälsen vor, denen man die Brieftaschen geraubt hatte. Vor mir lagen Stiefel, Ohrringe, Push-up-B Hs, Röcke und ein paar Stofffetzen, die er mir doch tatsächlich als Kleider verkaufen wollte, bei denen aber eindeutig jemand ein paar Teile vergessen hatte. Eins davon hatte ich gerade an, eine gewagte Kreation in Grellgrün und Silber, die etwa zehn Zentimeter über dem Knie endete und viel zu tief ausgeschnitten war. Mit diesem Outfit, meinen neuen Lederstiefeln, der Lockenmähne und dem Make-up kam ich mir vor wie eine Bordsteinschwalbe.
»Du siehst umwerfend aus.« Er grinste. »Ich muss wirklich an mich halten, damit ich dir nicht die Kleider vom Leib reiße.«
»Das findest du jetzt komisch, was? Für dich ist das alles doch bloß eine mordsmäßige... gottverdammte Gaudi!«
Mit einem Satz war er bei mir. »Das ist kein Witz, aber es ist ein Spiel. Es geht ums Ganze. Du musst dir jeden Vorteil zunutze machen. Ist so ein armer Untoter vollauf damit beschäftigt, die hier zu beglotzen«, mit einer schnellen Bewegung zog er den Stoff meines Kleides herunter, um einen Blick in den Ausschnitt werfen zu können, bevor ich seine Hand wegschlug, »achtet er nicht darauf.«
Etwas Hartes wurde gegen meinen Bauch gedrückt. Ich um-asste es mit den Händen und straffte die Schultern.
»Ist das ein Pflock, Bones, oder freust du dich nur über mein neues Kleid?«
Das Grinsen, mit dem er mich bedachte, war anzüglicher als eine Stunde zotenreiches Wortgeplänkel.
»In diesem Fall ist es ein Pflock. Aber fühl doch mal, ob du noch was anderes findest. Dann sehen wir weiter.«
»Das gehört jetzt besser zu deiner Ausbildung in Dirty Talk, sonst kommt der neue Pflock gleich zum Einsatz.«
»Das war ja nun wirklich keine romantische Antwort, Schatz. Konzentrier dich! Du siehst übrigens wirklich toll aus. Dieser BH bewirkt wahre Wunder.«
»Mistkerl«, fuhr ich ihn an und musste mich beherrschen, um nicht nach unten zu schielen und selbst nachzusehen. Später, wenn er nicht hinsah, würde ich einen Blick riskieren.
»Weiter geht's, Kätzchen. Steck den Pflock in deinen Stiefel. Dort ist extra eine Schlaufe angebracht.«
Ich vergewisserte mich tastend und fand tatsächlich in jedem Stiefel eine Lederschlaufe vor. Der Pflock passte genau hinein, war zwar nicht zu sehen, aber griffbereit. Ich hatte mich schon gefragt, wie ich unter diesem hautengen Kleid eine Waffe verstecken sollte.
»Steck auch den zweiten ein«, wies er mich an. Ich gehorchte, und damit war meine Ausrüstung komplett: Ich war nun Cat, der männermordende Schrecken aller Vampire.
»Das mit den Schlaufen war eine gute Idee, Bones.«
Das Kompliment war mir einfach herausgerutscht, und ich bereute es sofort. Er brauchte kein Lob. Wir waren keine Freunde, sondern Geschäftspartner.
»Hab ich selbst schon ein paarmal erprobt. Hmmm, irgendwas stimmt noch nicht, irgendwas fehlt noch...«
Er ging um mich herum, während ich stillhielt und mich begutachten ließ. Es war gelinde gesagt nervtötend.
»Ich hab's!«, verkündete er plötzlich mit triumphierendem Fingerschnippen. »Zieh deinen Schlüpfer
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