Blutrote Kuesse
nippen!«
»Hast du das gesagt? Hast du?« Er erreichte mich gerade in dem Augenblick, als der Boden unter mir zu kippen begann. »Gar nix hast du. Ich hab die Namen, das ist ja die Hauptsache, aber ihr Männer... ihr seid alle gleich. Lebendig, tot, untot... alles Perverse! Da war ein besoffener Perversling in meiner Hose! Weißt du, wie unhygienisch das ist?«
Bones stützte mich. Ich hätte dagegen protestiert, wusste aber nicht mehr, wie man das machte. »Was sagst du da?«
»Winston ist in meinem Höschen herumgegeistert, das sage ich!«, verkündete ich lauthals hicksend.
»Also wirklich, du mieser Lustmolch von einem Gespenst!«, brüllte Bones in Richtung Friedhof. »Ich würde auf der Stelle umkehren und dir aufs Grab pissen, wenn ich noch pissen könnte!«
Ich glaubte, ein Lachen zu hören. Vielleicht war es aber auch nur der Wind.
»Vergiss es.« Ich zog ihn an der Jacke, wobei ich mich schwer an ihm abstützten musste, sonst wäre ich hingefallen. »Wer waren diese Mädchen? Du hattest recht, die meisten sind von Vampiren umgebracht worden.«
»Das hatte ich vermutet.«
»Weißt du, wer es getan hat?«, nuschelte ich. »Winston hatte keine Ahnung. Er hat nur die Namen und die Todesumstände gekannt.«
»Stell mir keine Fragen mehr dazu, ich beantworte sie dir doch nicht. Und bevor du auch nur darüber nachdenkst, nein, ich habe nichts damit zu tun.«
Das Mondlicht ließ seine Haut noch samtiger erscheinen. Er hatte den Blick noch immer in die Ferne gerichtet, und wie sein Kiefer sich so anspannte, sah er gleichzeitig grimmig und sehr schön aus.
»Weißt du was?« Aus heiterem Himmel und ganz unangebrachterweise begann ich zu kichern. »Du bist hübsch. Du bist so hübsch.«
Bones warf mir einen Blick zu. »Scheiße noch mal. Für die Worte wirst du dich morgen früh hassen. Du musst stockbesoffen sein.«
Ich kicherte wieder. Er war einfach ulkig. »Nicht mehr.«
»Ja, ja.« Er hob mich hoch. Die Blätter knisterten leise unter seinen Füßen, als er mich davontrug. »Wärst du nicht halbtot, hätte dich die Menge, die du intus hast, umgebracht. Na komm, Schatz. Gehen wir nach Hause.«
Schon lange hatte mich kein Mann mehr in den Armen gehalten. Sicher, in bewusstlosem Zustand hatte Bones mich auch vorher schon getragen, aber das zählte nicht. Nun spürte ich überdeutlich, wie seine harte Brust gegen mich drückte, wie mühelos er mich trug und wie außerordentlich gut er duftete. Das war kein Rasierwasser... er benutzte nie welches. Es war sein ganz eigener, unverfälschter Geruch, und er war... berauschend.
»Findest du mich hübsch?«, hörte ich mich fragen.
In seinem Gesicht flackerte kurz etwas auf, das ich nicht benennen konnte.
»Nein. Ich finde dich nicht hübsch. Ich finde, du bist das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe.«
»Lügner«, hauchte ich. »Wenn es so wäre, hätte er das nicht getan. Er hätte nichts mit ihr angefangen.«
»Wer?«
Ganz in meine Erinnerungen versunken beachtete ich ihn gar nicht. »Vielleicht hat er es gewusst. Vielleicht hat er irgendwo tief, tief drinnen gespürt, dass ich das Böse in mir habe. Ich wollte, ich wäre nicht so geboren worden. Ich wollte, ich wäre überhaupt niemals geboren worden.«
»Hör mir mal zu, Kätzchen«, unterbrach mich Bones. Über meinem Gefasel hatte ich fast vergessen, dass er noch da war. »Ich weiß nicht, von wem du redest, aber du hast nichts Böses in dir. Nicht in einer einzigen Zelle. Mit dir ist nichts verkehrt, und wer das nicht selber merkt, soll sich zum Teufel scheren.«
Ich ließ den Kopf auf seinen Arm sinken. Eine Minute später war meine Niedergeschlagenheit wie weggeblasen, und ich kicherte wieder.
»Winston habe ich gefallen. Solange ich Whiskey habe, kann ich jederzeit was mit einem Gespenst anfangen!«
»Tut mir leid, dir das sagen zu müssen, Süße, aber das mit Winston und dir hat keine Zukunft.«
»Wer sagt das?« Ich lachte, und mir fiel auf, dass die Bäume schief standen. Das war seltsam. Und zu drehen schienen sie sich auch.
Bones hob meinen Kopf. Ich blinzelte. Die Bäume standen wieder aufrecht! Dann sah ich nur noch sein Gesicht, als er sich ganz dicht zu mir beugte.
»Ich sage das.«
Auch er schien sich zu drehen. Vielleicht drehte sich ja alles. So kam es mir wenigstens vor.
»Ich bin betrunken, oder?«
Da ich noch nie betrunken gewesen war, musste ich mir Klarheit verschaffen.
Sein Atem kitzelte mich im Gesicht, als er losprustete. »Ja, ziemlich.«
»Versuch
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