Blutrote Lilien
seine Einladung ausgesprochen hatte.
»Das eifersüchtige Temperament der Königin ist kein Geheimnis«, sagte Manon schulterzuckend, als ich ihr davon erzählte. Sie stopfte gerade einen Rock und schien wie immer bestens über die Vorgänge am Hof informiert zu sein. »Ich habe Geschichten gehört, die würdet Ihr mir nicht glauben! Angeblich hat sie sogar schon mit Porzellan geworfen, wenn sie einen Tobsuchtsanfall hatte. Könnt Ihr Euch das vorstellen?« Ungläubig schüttelte sie den Kopf. »Man sagt, das ist der Einfluss der Concini, die Alte würde das Temperament der Königin anstacheln.«
Ich erinnerte mich an die Szene während des Balls, die ich beobachtet hatte, und wie die Dienerin ihrer Königin ins Ohr geflüstert hatte. War die Königin wirklich so leicht zu beeinflussen?
Es schien jedenfalls, als wäre es unmöglich, sich die Gunst beider Monarchen zu erhalten. Hielt man es mit dem einen, brach man mit dem anderen.
Kein Wunder, dass alle Welt den Marquis de Bassompierre mit einer gewissen Bewunderung betrachtete, immerhin wirkte es so, als ob ihm das Unmögliche gelungen war. Und obwohl ich noch immer wütend auf ihn war, so kam ich doch nicht umhin, mich zu fragen, wie ihm dieses wohl gelungen war. Allein sein Charme konnte es nicht sein, denn dafür war der König unempfänglich. Vielleicht hatte er den König mit seinem Wissen beeindruckt, immerhin war er sehr gebildet, das musste man ihm lassen. Und ich hatte ja am eigenen Leib erfahren, wie amüsant die Unterhaltungen mit ihm sein konnten. Möglicherweise bestand genau darin seine größte Kunst, dass er herausfand, was die Leute gerne von ihm hören wollten. Im Grunde war er wie die Schausteller, die von Dorf zu Dorf zogen und ihre Rollen zum Besten gaben. Es ärgerte mich nur, dass ich das nicht eher durchschaut hatte, denn nun war es zu spät.
- 16 -
Die nächsten Tage zeigten mir den Hof jedoch in einem neuen Licht, das mich die vergangenen dunklen Stunden für eine Weile vergessen ließ. Fast jeden Tag rief mich der König zu sich, damit ich ihm vorlas oder mich mit ihm unterhielt. Wir gingen im Park vor den Tuilerien spazieren, in dem sich das erste Grün auf dem Rasen zeigte, oder ritten zur Beizjagd, in der wir die Flüge der Falken beobachteten.
Eines Tages bestand der König darauf, ein Bild von mir anfertigen zu lassen, das er in seinen privaten Gemächern aufhängen wollte. Stundenlang musste ich dafür still sitzen, während der König dem Künstler immer wieder kritisch über die Schulter sah und den armen Mann damit fast in den Wahnsinn trieb. Eigenhändig suchte er den Schmuck aus, den ich auf dem Bild tragen sollte: wunderschöne Perlen, die schimmerten wie Schnee.
Ein anderes Mal lud er mich sogar ein, mit ihm eine Vorstellung des Hoftheaters zu besuchen, und ich war ganz verzückt gewesen von der Musik und den Schauspielern. Die Luft roch nach Schminke und Farbe. Quietschende Seilzüge hoben und senkten die Bühnenbilder, auf denen in leuchtenden Farben Wälder und Häuser aufgemalt worden waren – und obwohl die Männer, die an den Seilen zogen, zu sehen waren, kam es mir vor, als sei ich mitten hinein in eine von Berthas Geschichten geraten.
In der Tat war das Stück recht traurig, doch das machte mir nichts aus. Am Ende schnäuzte ich in mein Taschentuch und der König tätschelte meine Hand.
»Ihr dürft es Euch nicht so zu Herzen nehmen, Mademoiselle«, sagte er. »Das Leben besteht nicht nur aus Tragödien, auch wenn uns die Dichter gerne anderes lehren würden.«
Aufmerksam lauschte ich ihm, als er sich nach der Aufführung mit dem Hofdichter Malherbe unterhielt, einem ernst dreinschauenden Mann, der immerfort die Stirn krauszog.
Der König schien ihn zu mögen, auch wenn er ihn nicht mit Spott verschonte, sobald der Dichter außer Hörweite war. »Seinem Papier ist er ein besserer Gesellschafter. Es nimmt seine Dramen ohne Widerworte auf.«
Vater hingegen war von solcherlei Freizeitvergnügen nicht sehr angetan. »Das Theater verdirbt den Charakter«, urteilte er, als ich ihm von meinem Besuch berichtete und ihm die Maske aus versilbertem Leder zeigte, die mir ein Schauspieler geschenkt hatte. »Unnützes Zeug«, nannte er sie.
Aber mir gefiel die Maske, daher legte ich sie neben mein Bett, und so war sie das Letzte, was ich sah, bevor ich am Abend die Augen schloss.
In jener Nacht träumte ich von einem Mann mit silberner Maske, dem ich in einen dichten Wald folgte. Etwas an seiner Statur und seinen
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